Der 08.03.2022, ein Tag den ich und wahrscheinlich alle anderen Schüler, die in Sandbostel gewesen sind, nicht vergessen werden.
Morgens um 07:45 Uhr fuhren wir vom Busparkplatz der Eichenschule mit Herrn Kind und Frau Wohlberg los. Die Sonne schien und man hatte nicht das Gefühl, dass etwas diesen wunderschönen Tag traurig oder wütend machen könnte.
Auf der Fahrt nach Sandbostel gingen mir viele Gedanken durch den Kopf, denn ich stehe gleich auf dem selben Boden, wo tausende Menschen ermordet und verhungert sind. Dieser Gedanke ließ mich einfach nicht los und beschäftigte mich den ganzen restlichen Tag.
Angekommen in Sandbostel wurden wir freundlich empfangen und die zwei Klassen wurden auf zwei Guides aufgeteilt.
Zusammen sind wir in einen Raum gegangen, in dem wir erstmal Grundinformationen und Fakten über Sandbostel im 2. Weltkrieg gesammelt und erzählt bekommen haben.

Dabei haben wir auch Originalbilder gesehen, die von den Kriegsgefangen durch eine von Familienmitgliedern reingeschmuggelte auseinander gebaute Kamera gemacht werden konnte. Bis 1945 war Sandbostel ein Kriegsgefangenenlager und zum Ende hin wurde es auch ein Konzentrationslager. Ab 1945 wurden viele Baracken abgebrannt, um vielleicht diese Tat nicht noch einmal geschehen zu lassen, aber der Hauptgrund war, dass in diesen Holzbaracken eine Mengen an Seuchen und anderen Krankheiten herrschten, die sich nicht verbreiten sollten. Außerdem wurden im Lager nach dem Krieg Kriegsverbrecher, wie viele SS-Männer festgehalten, bis ihr Urteil festgelegt wurde. In den 1980-und 90-er Jahren wurde Sandbostel als eine Unterkunft für junge Flüchtlinge aus der DDR genutzt. Dann wurde es von einem Militarenhändler beansprucht.
Erst ab 2013 wurde Sandbostel zu einer Gedenkstädte.
Gestartet sind wir mit dem Rundgang bei einem Betplatz, der für religiöse Kriegsgefangene genehmigt wurde, an dem sie ihren Gottesdienst abhalten konnten, außer für Sowjets , denn diese wurden als Untermenschen in Sandbostel behandelt.



Weiter gegangen sind wir zu Baracken, die aus Stein gebaut wurden, viele von denen sind aber durch die letzen Stürme ein wenig eingestürzt, deshalb konnten wir diese nicht betreten. Die nächste Station war der Speisesaal, der für die DDR- Jungen errichtet worden war. In diesem Saal sind hundert aneinander gereihte Originaldokumente von vielen sowjetischen Kriegsgefangen zu sehen. Als wir ein Stückchen weitergegangen sind, kamen wir an einem Acker an, auf dem kurz vor Kriegsende ein Konzentrationslager errichtet wurde. Leider ist heute nicht mehr auf diesem Acker zu sehen. Und der Bauer möchte eigentlich gar nicht, dass wir dort stehen und der Opfer gedenken.
Unverständlich.
Dann gingen wir weiter zu den ‘WCs‘ der Kriegsgefangen. Es war einfach schrecklich zu erfahren, auf welch einem kleinen und unhygienischen Raum sie sich pflegen mussten und gerade für mich als Russin war es nochmal schrecklicher zu lesen, was die russischen Kriegsgefangen mit Steinen an die Wende geritzt haben.


Außerdem wurde uns erzählt, dass die Fäkalien von den Kriegsgefangen mit eigenen Händen weggeräumt werden mussten. Es war echt erschreckend, das erzählt zu bekommen.
Nun kam der Moment, in dem wir die Holzbaracken von innen betreten durften, davor wurden wir aber noch auf die Aufschrift der Baracken aufmerksam gemacht. Auf den Baracken stand Glaube, Liebe und Hoffnung. Man konnte fühlen, dass die Kriegsgefangen nie aufgehört hatten in eine bessere Zukunft zu glauben und die wichtigsten Werte nie vergessen haben.

Als wir in so einer Baracke standen, also fast 30 Leute, war es eng. Dann haben wir erzählt bekommen, dass darin fast 50 Menschen geschlafen haben. Des Weiteren wurden Holzgestelle durch ein Projekt für die bessere Vorstellung der Besucher:innen nachgebaut. Diese Holzgestelle sahen aber nicht aus wie Betten, sondern wie ein großes Regal.


Damit endete unsere Führung auf dem ehemaligen Kriegsgefangenenlager Sandbostel.
Danach gingen wir wieder zum Bus und hatten vielleicht Zeit, um zweimal ins Brötchen zu beißen, bis wir zum Friedhof gefahren sind, der nur zehn Minuten weiter liegt.
Das erste was wir uns angesehen haben waren Säulen auf denen viele auskünftig gemachte Kriegsgefangene in kleine Tafeln mit Name Geburtstag- und Sterbedatum befestigt waren.

Das Traurige war, dass die ganzen Namen nur ein kleiner Teil von den ausfindig gemachten Kriegsgefangenen waren. Sinn dieses Projekts ist es, den Menschen, die in Sandbostel gefangen waren und von den Verbrechern zu Nummern gemacht wurden, ihren Namen wieder zu geben und ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Als wir zum Massengrab geführt wurden, konnte man sich zum ersten Mal vorstellen, wie viel Menschen hier ermordet wurden. Auch einzelne Gräber wurde gemacht, doch auf denen standen lediglich die Nationalität und der Name des Soldaten dahinter. Dieses konnte man in dutzenden Reihen sehen. Was einen traurig machte, weil man sich doch erhoffte, allen Toten von Sandbostel die letze Ehre erweisen zu können.

Zu Schluss kam mein persönliches Highlight des Tages, uns wurde von einem ganz besonderem russischen Gefangen erzählt, der mit Spitznamen Tolja genannt wurde. Er arbeitete bei einem deutschen Bauern, der eine Tochter in Toljas Alter hatte, die beiden verliebten sich ineinander und sie wurde schwanger von ihm.
Tolja musste ins Lager zurück, bevor er überhaupt wusste, dass sie schwanger war und so kam es, dass er 1945 starb, ohne sein Kind einmal kennengelernt zu haben. Die Schwangerschaft durch einen russischen Kriegsgefangen musste streng geheim gehalten werden, bis zu dem Tag, an dem die Bauerntochter an ihrem Sterbebett lag und ihrem Sohn, der nun schon geboren war und eine eigen Familie hat, erzählte, dass sein Vater ein gestorbener Russe aus Sandbostel war, woraufhin er sich auf die Suche machte und eine ganze neue Familie kennengelernt hatte. Die Familie seines Vaters, die er nie hatte.
Seit dem Tag besucht Toljas Sohn dessen Grab auf dem Friedhof von Sandbostel jede Woche. Zu sehen sind ein Foto, Name, Geburts- und Sterbedatum und der Beruf, denn er war russischer Soldat wie so viele im Kriegsgefangenenlager Sandbostel.