Magersucht – nicht nur von Betroffenen totgeschwiegen

Essstörungen – heutzutage ein großer Lebensbestandteil vieler Menschen. Ihr alltägliches Leben dreht sich vermehrt rund um ihre Figur und die Zahl auf der Wage. Die Themen Ernährung und Figur werden immer mehr zum Problem in unserer Gesellschaft. Gerade junge Menschen sind anfällig für ein gestörtes Essverhalten. Der Weg in eine ernsthafte Erkrankung ist dann oft nicht weit.

Mehr als jedes 5. Kind in Deutschland im Alter zwischen elf und 17 Jahren weist Symptome einer Essstörung auf – hochgerechnet rund 1,4 Millionen Kinder und Jugendliche.

Unter den Elfjährigen ist jedes fünfte Kind – egal ob Mädchen oder Junge – auffällig im Essverhalten. Im Laufe der Pubertät sei „nur“ noch jeder siebte Junge gefährdet. Umgekehrt weise jedes dritte Mädchen im Alter von 14 bis 16 Jahren Symptome einer Essstörung auf.

Über 100.000 Menschen, insbesondere Frauen zwischen 15 und 35 Jahren in Deutschland, seien an Magersucht erkrankt gewesen, davon waren nur fünf bis zehn Prozent der Betroffenen männlich – doch auch hier steige die Tendenz. Magersucht wird häufig zwischen 12 und 23 Jahren entwickelt, wobei es die höchste Anzahl von Betroffenen zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr gibt.

Nur etwa die Hälfte der an Magersucht Erkrankten kann vollständig und dauerhaft geheilt werden. Bei 20% wird das Leiden chronisch und 30% entwickeln andere Symptome wie Depressionen.

Essstörungen verlaufen in bis zu 10% der Fälle tödlich. Essstörungen sind deshalb ernst zu nehmende Krankheiten, die umso gefährlicher werden, je länger sie nicht behandelt werden. Bleibende Schädigungen der Organe, Herzprobleme und Depressionen, die teilweise im Suizid enden, sind leider keine Seltenheit.

Bei jungen Frauen zwischen 15 bis 24 Jahren ist Anorexie, also Magersucht, die häufigste Todesursache.

Wer an einer Essstörung leidet, muss wissen, dass damit sein Körper, seine Zukunft und sogar sein Leben auf dem Spiel steht.

Zu bedenken ist weiter, dass eine Essstörung immer das gesamte persönliche Umfeld stark belastet. Insbesondere Eltern, Geschwister sowie enge Freundinnen und Freunde können mitunter genau so unter der Krankheit leiden, wie der oder die Betroffene selbst.

Eine Unterstützung und Behandlung ist also unbedingt notwendig – je früher desto besser!

Denn: Je früher die Essstörung erkannt und behandelt wird, desto grösser sind die Chancen, die Krankheit überwinden zu können und bleibende körperliche und seelische Folgen der Essstörung zu vermeiden.

Wir interviewten eine Betroffene, ein junges Mädchen. Zu ihr muss man einleitend sagen, ihre Essstörung wurde nicht ärztlich diagnostiziert, wie es leider bei vielen Betroffenen der Fall ist, aus Gründen, wie sich niemandem anvertrauen zu wollen und sich zum eigenen Besten Hilfe zu suchen. Jedoch hat sie mit uns über ihre persönlichen Erfahrungen mit ihrer Krankheit gesprochen.

„Essen ist für mich einerseits mein größter Feind, im nächsten Moment aber mein bester Freund, der mir durch schwierigen Zeiten hilft.“ Sie beschreibt ihr Verhältnis zum Thema Ernährung also als komplex und sagt, es sei schwierig, die Situation, wenn man an dieser Krankheit leidet, anderen Personen näher zu bringen, wenn sie es selbst nicht erlebt hätten. Gelegentlich sei Essen ihr „Freund“, wenn sie sogenannte Fressattacken bekomme. Bei diesen Fressattacken schlingen Betroffene teilweise um die 10.000 Kalorien aufeinander herunter. Anschließend bereue sie es aber sofort wieder und kotze ihr Essen willig wieder aus. Das fällt hierbei schon unter eine andere Essstörung, die sogenannte Bulimie. Betroffene sind so in einem Teufelskreis und unsere Interviewpartnerin beschreibt, dass sie, wenn sie hungere, um ihrem persönlichem Schönheitsideal näher zu kommen, irgendwann bei einem Punkt ankomme, an dem sie aus ihrer Sicht „rückfällig“ werden würde. Dabei nehme sie dann eine sehr große Menge an Essen zu sich. Gegriffen werde in dieser Situation vermehrt zu Fast Food, Süßigkeiten oder ähnlichem. Ihr Umfeld belaste es ebenfalls, da dieses ihr helfen wollen würden, aber oftmals eben nur mithilfe von oberflächlichen Kommentare wie „Iss doch einfach bitte mehr!“. Doch an dem Punkt, an dem ihr Umfeld ihre Erkrankung mitbekam, hätte ihre Essstörung schon über einige Wochen angedauert. Ihr Umfeld hätte es erst bemerkt, als sie beträchtlich abgenommen habe. Dass jemand darauf aufmerksam geworden sei, sei für sie eher als Erfolgserlebnis zu betrachten, da sie aus ihrer Sicht endlich ihrem Ziel, abzunehmen, offensichtlich näher komme. An diesem Punkt ist Hilfe meist schon zu spät, weil Betroffene schon seit längerer Zeit in ihrer „neuen gestörten Essroutine“ verankert sind und laut unserer Interviewpartnerin nur durch ihren eigenen Willen noch rauskommen könnten. ,,Du kannst jemanden aus einer Essstörung kriegen, aber die Essstörung nicht aus demjenigen“, so unsere Befragte. Ein letzter und prägnanter Satz, mit dem sie zum Nachdenken und Bewusstsein dieser komplexen Krankheit anregen wolle.

Außerdem haben wir eine Umfrage zum Thema Esstörungen in unserem Jahrgang durchgeführt. Dabei haben wir die teilnehmenden Schüler zuerst nach grundlegenden Merkmalen zu Essstörungen befragt, wobei uns aufgefallen ist, dass die meisten direkt ein bestimmtes Bild der Erkrankten im Kopf hatten: dünn, abgemagert und nur aus Haut und Knochen bestehend. Dabei kann ein gestörtes Essverhalten vielseitig sein und ist nicht immer direkt an äußeren Merkmalen zu erkennen. Zudem waren sie der Meinung, dass vor allem die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und der Vergleich mit anderen, der durch Social Media nochmals verstärkt wird, dazu beitragen, dass immer mehr junge Mädchen in die Magersucht hinein geraten. Auch wenn diese Faktoren gerade in den letzen Jahren einen beachtlichen Einfluss auf Magersüchtige haben können, sollte man nicht vergessen dass auch andere Aspekte wie gestörte Stressverarbeitung, genetische Faktoren, gestörter Botenstoffwechsel, starkes Kontrollbedürfnis oder ein zu hoher Leistungsanspruch das Essverhalten beeinflussen können. Auf die Frage welche Probleme durch die Erkrankung entstehen könnten, antworteten die Schüler vergleichsweise reflektiert und vermuteten, dass sich die Betroffenen nicht mehr mit Freunden treffen würden, psychisch labil und kraftlos seien und sich immer weiter zurückziehen würden.

Besonders geteilt waren die Meinungen bei der Frage, wie viele an Magersucht erkrankte Personen es in Westeuropa gäbe. Die Antworten gingen von jeder 9te zu jeder 1000te. Laut offiziellen Zahlen leiden durchschnittlich 4,5/100.000 Personen in den westeuropäischen Ländern an Magersucht; bei jungen Frauen liegt dieser Anteil jedoch viel höher. Die Dunkelziffer wird jedoch beträchtlich höher sein, denn viele Erkrankte wurden nicht offiziell diagnostiziert, aus unterschiedlichen Gründen, wie beispielsweise dem, bis dato keine ärztliche Hilfe gewollt zu haben.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Magersucht eine ernst zu nehmende Erkrankung ist, an der immer mehr Menschen, vor allem junge Mädchen und Frauen, erkranken. Bei den Umfragen ist uns allerdings Unwissenheit vieler SchülerInnen in diesem wichtigen Themenbereich aufgefallen. Einige haben sich zudem auch respektlos und unsensibel geäußert, wobei gerade ein respektvolles Gegenübertreten wichtig für die Behandlung und dem Umgang mit Magersüchtigen ist. Um dies zu gewährleisten, wäre es sinnvoll, beispielsweise einen Projekttag zu dem Thema in der Schule einzuführen, um die SchülerInnen allgemein mehr über das Thema aufzuklären. Auch die SchülerInnen mit denen wir gesprochen haben, hielten dies für einen guten und wichtigen Ansatz.

Wenn du dich betroffen oder mit dem Thema alleine gelassen fühlst, kannst dich anonym und kostenlos bei einem Sorgentelefon melden.

Kinder-und Jugendtelefon:

Telefonische Beratung unter 116 111, montags bis samstags von 14 Uhr bis 20 Uhr.

Elterntelefon:

Telefonische Beratung unter 0800 1110 550, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, dienstags und donnerstags bis 19 Uhr.

Außerdem kannst du dich ebenfalls an die Beratungslehrer der Eichenschule wenden.

von Julia Thiele und Dounia Lack

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