Europäer im All… Wie die Raumfahrt helfen kann, den Klimawandel zu bekämpfen

Was hat Raumfahrt mit Nachhaltigkeit zu tun? Ein Zusammenhang, den auch wir uns zunächst nur schwer vorstellen konnten. Am 18. April wurden unsere Fragen im Rahmen des Besuchs des schwedischen Botschafters bei dem Bremer Satellitenbauer und Technologieunternehmen OHB jedoch beantwortet. Besonders die Bedeutung der Raumfahrt und Erdbeobachtungssatelliten für die Nachhaltigkeit waren Kernthemen des Besuchs. Schweden hat noch bis Ende Juni die EU-Ratspräsidentschaft inne, bevor Spanien übernimmt. Anlässlich seiner Deutschlandtournee sowie der Übergabe eines essentiellen Bauteils für den neuen CO2M Satelliten (ein Satellit, der es mittels modernster Technologie ermöglicht, die Kohlendioxid-Konzentration in der Luft zu erfassen und die Quelle dieser zu lokalisieren), besuchte der schwedische Botschafter Per Thöresson mit einer kleinen schwedischen Delegation das Bremer Raumfahrtunternehmen.

Bei unserem Besuch erfuhren wir nicht nur viel über die Fähigkeiten von Satelliten, sondern auch über die Firma OHB. Diese beschäftigt ca. 3000 Mitarbeiter und fokussiert sich vor allem auf die vielseitigen Bereiche der Raumfahrt und Satellitentechnik. Diplom-Geograf und Mitarbeiter in der OHB-Geschäftsentwicklung Carsten Borowy erläuterte uns zudem die Verkettung der Produktion eines einzelnen Satelliten. So arbeite OHB mit einer Vielzahl an Zulieferern, die einzelne Satellitenteile produzieren und an OHB liefern, wo sie schließlich zu dem fertigen Satelliten zusammengesetzt werden. Besonders wichtig hierbei seien jedoch die verwendeten Materialien. Diese müssten extreme Temperaturunterschiede aushalten, zwischen extremer Hitze auf der sonnenbeschienenen Seite und großer Kälte auf der Schattenseite, bei bis zu minus 270 Grad Celsius im Weltraum. Jedes Teil erhalte somit eine sehr hohe Bedeutung und der Bau eines Satelliten erfordere höchste Präzision, damit zum Beispiel auch die kleinste Schraube mit der exakten Anzahl an Newtonmetern angezogen werde. Eines ist nämlich klar: einmal im Weltraum angelangt, ist es unmöglich, die Fehler, die beim Bau begangen wurden, zu korrigieren. Ein Satellit sollte nämlich eine Lebenszeit von bis zu 15 Jahren im Weltraum überdauern.

Aufgrund all dieser Schwierigkeiten können Satelliten wie die Umweltsatelliten der Reihen Meteosat Third Generation (MTG) und CO2M dutzende bis hunderte Millionen Euro kosten, selbst einer der in großen Zahlen produzierten Galileo-Satelliten kostet schätzungsweise 45 Millionen Euro. Das Geld stammt dabei aus unterschiedlichen Quellen. Dies stellt auch für Firmen wie OHB eine Schwierigkeit dar. In der EU bzw. bei der ESA (Europäische Weltraumorganisation) gilt das Prinzip des „Georeturns“, welches bedeutet, dass Ausgaben eines Staates für die Projekte der ESA auch in derselben Größe wieder an Firmen des Landes fließen müssen. Kurz gesagt: Ein Staat bekommt nur so viel, wie er gibt. Um so die Kosten zu verteilen, arbeitet OHB mit vielen Firmen in anderen EU-Staaten zusammen, um die entstehenden Kosten auf mehrere Staaten verteilen zu können.

Carsten Borowy erklärte uns zudem, inwiefern Satellitentechnik besonders unter der Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspekts genutzt werden kann: Satelliten spielen unter anderem für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle, da sie den Landwirten entscheidende Daten über die Bodenbeschaffenheit oder Trockenheit des Feldes liefern können und somit den Arbeitsalltag oder Entscheidungen über den Anbau erleichtern. Der bereits genannte CO2M Satellit bietet darüber hinaus evidente wissenschaftliche Grundlagen, um den Klimawandel einzudämmen und Verursacher hoher Emissionen zur Rechenschaft zu ziehen. Neben klimabezogenen Aspekten werden Satelliten ebenfalls für Aufklärungszwecke gebraucht. Die Bilder der ersten russischen Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze vor etwas mehr als einem Jahr wurden von Satelliten erfasst.

Deutlich wird: Ein Satellit ist für weitaus mehr einsetzbar als man vermutet, beinahe jeder von uns benutzt täglich Technik oder alltägliche Erfindungen, die ohne Satelliten nicht existieren würden, angefangen beim allmorgendlichen Wetterbericht auf dem Handy, welcher ohne die u. a. von OHB gebauten MTG Satelliten und deren Daten nicht vorhanden wäre.

Nach der Einführung in das Thema fand eine Tour durch das Unternehmen sowie die einzelnen Abteilungen statt. So besuchten wir die PLATO-Halle von OHB und die MTG-Satelliten-Produktion. Nähere Informationen lieferte dort unter anderem die Technikvorständin Chiara Pedersoli. Unter anderem bekamen wir Informationen über Materialen, Bauweisen und Transport der Satelliten. Wer hätte gedacht, dass Satelliten tatsächlich auf LKWs und Zügen in Containern transportiert werden? Oder dass ausschließlich speziell ausgebildete Mitarbeiter Eintritt in die Fertigungshalle bekommen, die auch wir nur durch große Fenster begutachten konnten?

Nach der Besichtigung ging es für uns weiter mit eine Podiumsdiskussion. Teil an der Diskussion nahmen der schwedische Botschafter Per Thöresson, Antje Boetius, die Direktorin des AWI (Alfred-Wegener Institut Bremerhaven), Benoît Mathieu (Geschäftsführer der OHB in Schweden) sowie die auch für Nachhaltigkeit bei OHB zuständige Vorständin Daniela Schmidt von OHB Bremen. Schnell wurde die Vielfalt des Themas deutlich und die Relevanz von guter internationaler, besonders aber europäischer Zusammenarbeit. Per Thöresson betonte dabei die Vorteile und Notwendigkeit europäischer Zusammenarbeit in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Schweden beschrieb er als besonders gut. „Man versteht sich“, ergänzte er. Mathieu fügte hinzu, dass beide Länder komplementäre Raumfahrtnationen seien und es zudem zwischen Schweden und Deutschland bestehende Netzwerke aus international agierenden Unternehmen gäbe.

Ebenfalls Thema der Diskussion waren der CO2M Satellit und dessen Funktion sowie die Bedeutung der gelieferten Daten. Benoît Mathieu erläuterte die Funktionsweise des Satelliten. Dieser besitze einen Sensor, welcher mittels eines superscharfen Spektrometers auch kleinste CO2 Konzentrationen erkennen könne. Frau Boetius beschrieb im Folgenden die Bedeutung der durch die Satelliten erhobenen Daten. Sie betonte dabei die Synergien zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie die auf Grundlage einer präzisen Auswertung der gelieferten Daten möglichen Konsequenzen für Nationen bei einem erhöhten CO2-Ausstoß, der gegen die Klimaabkommen verstoße. Problematisch sei aus ihrer Sicht jedoch die Frage nach Startplätzen, um die Satelliten in den Weltraum zu befördern und überhaupt von den Daten profitieren zu können. Die internationalen Abhängigkeiten zu verringern und Europas Raumfahrt unabhängiger (beispielsweise von China und den USA) zu machen, forderte Daniela Schmidt. Thöresson ergänzte, dass eine stabile Raumfahrt-Infrastruktur ebenfalls sichherheitsrelevant und der Zusammenschluss auch notwendig sei, um als Europa mit China und der USA konkurrieren zu können.

Es blieben bei dem evidenten Nutzen der von den Satelliten ermittelten Daten zwei entscheidende Fragen: Kann Klimaschutz durch Satellitentechnik ein Geschäftsmodell sein? Inwiefern können auch die Produktion und der Betrieb der Satelliten nachhaltiger werden? Schmidt vertrat hierbei die klare Position, dass die Politik aktiver werden müsse, um die Rahmenbedingungen zu optimieren. Allerdings sei Nachhaltigkeit bereits ein Geschäftsmodell (als Beispiel wird Emissionshandel genannt). Dies würde ihrer Meinung nach auch zu einer Verbesserung des Klimaschutzes führen. Auf die Frage nach nachhaltigen Satelliten erläuterte Mathieu abschließend noch das Prinzip des „Deorbiting“: Satelliten werden demzufolge nach Ende der Nutzung zurück zur Erde gebracht, wobei sie beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühen und nicht zu Weltraumschrott werden.

Mit diesen Worten endete die umfassende und interessante Diskussion, in der alle Beteiligten sowie die Zuschauer eine Vielzahl an Erkenntnissen gewinnen konnten.

Podiumsdiskussion (Foto: Hannes von der Fecht, OHB)

Beim anschließenden Stehempfang konnten wir dann nicht nur leckere Antipasti genießen, sondern auch kurze Interviews mit Antje Boetius und Per Thöresson führen:

Antje Boetius ist eine deutsche Meeresbiologin und Polarforscherin, die an der Universität Hamburg Biologie studierte und später dort promovierte. Sie ist Direktorin am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und hat in ihrer Karriere zahlreiche Expeditionen in die Arktis und Antarktis geleitet. Dort untersucht sie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ozeane und die Lebensformen in ihnen.

Bald geht es für sie wieder auf Expedition, wie sie uns im Interview erzählte. Anfang August werde sie mit ihrem Team und dem Expeditionsschiff „Polarstern“ aufbrechen, um gut zwei Monate das Meereis zu untersuchen. Ein Ziel der Expedition sei es, dass Eis neu zu kartieren und zu schauen, wie es sich entwickelt habe, wie es gedriftet sei. Diese Daten werden auch für das kostenlose Meereisportal genutzt, das das AWI in Zusammenarbeit mit der Uni Bremen bereitstelle. Außerdem forsche sie dazu, was der Rückgang des Eises mit dem Leben in der Tiefsee unter dem Eis mache. Bei vergangenen Expedition habe man auch schon mit der NASA zusammengearbeitet, berichtete Boetius. So würden immer wieder Roboter, die zur Erforschung des Weltalls genutzt werden sollen, im ewigen Eis getestet, denn nirgendwo sonst gebe es solche Extrembedingungen. Auch ein Weltraumgärtner sei mal an Bord der „Polarstern“ gewesen, der dann die ganze Crew mit den angebauten Lebensmitteln einen Winter lang versorgt habe.

Die Leidenschaft für ihren Beruf ist Antje Boetius deutlich anzumerken. „Ich wollte schon immer Entdeckerin sein.“ Letztendlich ist sie Meeresforscherin geworden, die sich auf Tiefsee-Ökologie spezialisiert hat, schließlich sei die Tiefsee noch so unerforscht, dass man jedes Mal etwas Neues entdecken könne. Auf unsere Frage, wie man denn eigentlich zum Forscher werde, sagt sie ganz klar: „Einfach machen!“ Natürlich sollte man ein generelles Interesse an den Naturwissenschaften haben und es gebe kein Studiengang, der einen direkt zum Forscher mache. Aber wenn man dran bleibe und klein anfange, zum Beispiel mit HiWi-Jobs (Hilfswissenschaftler-Jobs) wie Boetius selbst, dann fände sich ein Weg…

AWI-Direktorin Antje Boetius (Foto: Hannes von der Fecht, OHB)

Per Thöresson ist schwedischer Botschafter in Deutschland. Aber was genau ist ein Botschafter und welche Aufgaben hat er?

Der Botschafter ist der höchste Diplomat eines Landes im Ausland und ist für die Vertretung seines Heimatlandes zuständig. Zu seinen Aufgaben gehören unter anderem das Verbessern und Stärken der Beziehung zwischen dem Heimatland und dem Gastland und die Unterstützung der eigenen Staatsangehörigen, wenn sie beispielsweise Probleme mit der Einreise oder mit Visa-Angelegenheiten haben.

Per Thöresson ist seit 2017 Botschafter in Deutschland. Auf unsere Frage, welches Erlebnis ihm in dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben sei, gab er uns gleich zwei Antworten:

Zum einen sei es die Hannover Messe 2019 gewesen, für die Schweden unter dem Motto „Sweden Co-Lab“ als Partnerland fungiert habe. Auf der Messe habe die Kommunikation im Mittelpunkt gestanden und es sollte Start Ups und Projekten ermöglicht werden, ihre innovativen Ideen zu präsentieren. Mit mehr als 90.000 Besuchern sei die Messe ein voller Erfolg für die Botschaft und die Repräsentation Schwedens gewesen.

Das zweite Ereignis liegt noch gar nicht soweit in der Vergangenheit. Gemeint ist damit die Deutschland-Tournee im Rahmen der schwedischen Ratspräsidentschaft der EU. Alle 16 Bundesländer habe Thöresson in einer relativ kurzen Periode besucht und andere Perspektiven kennenlernen dürfen, was er sehr schätze. So habe er die Deutschen außerhalb der „Berlin-Bubble“ kennenlernen können und er hält schmunzelnd fest: „Berlin ist nicht Deutschland.“ Außerdem freue er sich bereits auf den Abschluss der Ratspräsidentschaft im Juni, den die Botschaft in Berlin mit einer typisch schwedischen Sommerparty feiern will…

Botschafter Per Thöresson (Foto: Hannes von der Fecht, OHB

Final bot der Besuch bei OHB in Bremen eine Bandbreite an einzigartigen Erlebnissen und ergibt ein völlig neues Bild für uns in Sachen Satelliten und deren existentieller Bedeutung für die Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel. Es erfordert viele Menschen mit viel Erfindergeist und noch mehr leidenschaftliche Arbeit, um einen Satelliten zu entwerfen und man kann nur Respekt vor den Menschen haben, die täglich an solchen Projekten arbeiten und unser Leben jeden Tag noch ein Stück einfacher und sicherer machen.

Von Magnus (Jg.12), Jannes (Jg.12) und Marika (Jg.11)

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