- eine Komödie aus dem Jahr 2020 über eine Frau mit Helfersyndrom
Das Helfersyndrom beschreibt die Sucht, anderen Hilfe aufzudrängen und eigene Wünsche zu vernachlässigen – und im Gegenzug dafür Dankbarkeit zu erwarten.
Ein Paradebeispiel dafür ist Isabelle. Kleiderkammer, Suppenküche, Sozialzentrum, das sind die Orte, wo sie sich am liebsten aufhält – auf Kosten des Familienlebens…
…so lautet die Filmkritik des Redaktionsnetzwerkes Deutschlands. Aber was ist Nächstenliebe eigentlich – und wo liegt die Grenze zum Helfersyndrom? Mit diesen Fragen haben wir uns im Religionsunterricht beschäftigt:
Wenn man heutzutage die Zeitung aufschlägt, macht es den Anschein, als würde man immer weniger Nächstenliebe innerhalb der Gesellschaft finden: „Passanten gehen achtlos an überfallener Frau vorbei“, „Mädchen stirbt, Autos fahren vorbei“ oder „Mann erstochen – 30 Leute schauten zu“. Aber es sind nicht nur die drastischen Ereignisse, bei denen ein Mangel an Nächstenliebe und Zivilcourage deutlich wird, sondern auch in den alltäglichen Dingen. Statt einem Lächeln, freundschaftlichen Begrüßungen, Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und Freundlichkeit begegnet man immer öfter Gleichgültigkeit, Kälte und Grobheit.
Eine mögliche Begründung dafür ist die starke Beeinflussung durch den Materialismus, der in der heutigen Gesellschaft immer mehr gefördert wird. Materialismus bedeutet, dass man sich mehr für materielle Dinge und Errungenschaften als für seine Mitmenschen interessiert. Dieser Wandel von der Bedeutsamkeit der Nächstenliebe zeigt sich auch daran, wie sich die Definition von Nächstenliebe verändert hat. Heutzutage bedeutet Nächstenliebe meist, anderen zu helfen ohne sich davon einen Nutzen oder Vorteil zu versprechen und wird damit mit dem „selbstlosen Eintreten für Andere ohne Rücksicht auf deren soziale Stellung oder Verdienste“ gleichgesetzt. So ähnlich steht es auch in der Bibel, wo der Begriff der Nächstenliebe seinen Ursprung findet. Aber die dortige Formulierung ist noch von einer ideellen Gesellschaft geprägt und bezieht sich nicht auf die heutigen, materiellen Werte:
Im Alten Testament wird das Volk Israel dazu aufgefordert, auf die Fremden in ihrem Land zuzugehen, egal ob man diese Fremden mag oder nicht und im 3. Buch Mose wird ihnen befohlen: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Auch im Neuen Testament wird die Nächstenliebe durch Jesus zu einem zentralen Begriff. Auf die Frage nach dem höchsten Gebot in der Bibel antwortet Jesus, dass es das Doppelgebot der Liebe („Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst) sei. Den „Nächsten“ beschreibt er dabei mithilfe der Geschichte des Barmherzigen Samariter als nicht abhängig davon, zu welchem Volk der Nächste gehört, sonder es gehe einzig und allein darum, wer Hilfe benötigt. Mit der Bergpredigt erinnert Jesus die Menschen außerdem daran, dass sie sich ihren Mitmenschen gegenüber so verhalten sollen, wie sie selbst behandelt werden möchten.
Doch während auf der einen Seite die Nächstenliebe innerhalb der Gesellschaft immer mehr zu verblassen scheint, gibt es auf der anderen Seite genau das Gegenteil: das Helfersyndrom. Man könnte sagen, dass das Helfersyndrom eine extreme Form der Nächstenliebe sei, denn die Betroffenen weisen eine gesteigert Hilfs- und Aufopferungsbereitschaft auf und sie stellen die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen. Das kann jedoch auch negative Konsequenzen für sie selbst haben, zum Beispiel weniger Zeit für Freunde und Familie, wenn man sich den Fall von Isabelle aus der Komödie anschaut. Das Helfersyndrom tritt häufig bei Menschen auf, die in sozialen Berufen tätig sind, zum Beispiel bei Therapeuten, Sozialarbeitern, Lehrkräften oder Ärzten bzw. Pflegern. Ein weiteres Symptom für das Helfersyndrom ist, dass es den Betroffenen schwer fällt, Bitten von anderen abzulehnen. Vielmehr bieten sie ihre Hilfe von sich aus an oder drängen sie ungefragt bzw. unerwünscht auf, auch wenn es nicht sinnvoll oder sogar kontraproduktiv ist. Außerdem ist für sie schwer, ihre eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren oder klare Wünsche zu äußern, zum Beispiel wenn sie selbst um Hilfe bitten wollen. Dies tun sie deshalb häufig in Form von Vorwürfen: „Ich hab so viel für dich getan – und so wird es mir gedankt?“.
Doch ob man das Helfersyndrom wirklich noch als extreme Nächstenliebe bezeichnen kann, ist fraglich, wenn man sich diese Krankheitsbild, das übrigens 1977 (in dem Buch „Die hilflosen Helfer“ von dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer) das erste Mal als solches festgehalten wurde, anschaut. Denn die Intention hinter der Handlung der Betroffen ist nicht altruistisch, sondern sie helfen, um ihre eigenen Bedürfnisse nach Anerkennung und Zugehörigkeit zu erfüllen oder auch um eigene psychische oder soziale Probleme zu lavieren, was deutlich im Gegensatz zu den Grundsätzen der Nächstenliebe nach Jesus steht…
Von Marika