Die Zukunft Großbritanniens?

– erste Eindrücke während meines Auslandsaufenthaltes in Brighton

Als ich am Sonntag, den 18.09, mit dem Taxi vom Flughafen London Heathrow ungefähr eineinhalb Stunden in die süd-östlich an der Küste gelegene Stadt Brighton fuhr, in der ich in einer Gastfamilie die nächsten drei Monate verbringen würde, erwartete ich nichts Besonderes. Ich hatte mich hauptsächlich für Brighton als Aufenthaltsort entschieden, weil die Stadt mit knapp 270.000 Einwohnern zwar viel zu entdecken bietet, gleichzeitig aber nicht so groß ist, dass man dort untergehen würde. Natürlich hatte auch die Lage direkt am Meer an einem langen Kiesstrand und die wunderschöne, elegante Architektur eine Rolle gespielt, die Brighton wie eine Mischung aus Amsterdam, Hamburg und Paris wirken lässt.

Als ich in die Stadt hineinfuhr, merkte ich jedoch, wie sehr ich diese Stadt unterschätzt hatte:

Die Architektur dieser weißen, filigran verzierten Häuser war nicht nur wunderschön, sondern einfach beeindruckend. Denn die ganze Küstenlinie entlang zog sich ein endloser Häuserkomplex, der so gleich, aber durch viele kleine Details, wie bunte Türen doch so unterschiedlich war. Dies mag Brighton gerade dennoch auf Dauer ein wenig eintönig beschreiben. Selbst wenn die Häuser andere Blumen im Garten haben, nach ein paar Tagen übertrifft die Langeweile dann bestimmt die Schönheit, oder etwa nicht?

Foto: P. Holste

Nein. Denn Brighton ist voller Kunst. Wirklich guter Kunst. Fast an jeder Ecke lassen sich bunte Graffitis finden, die die Stadt zum Leben erwecken. Außerdem sind vor allem nahe des Stadtzentrums immer neue, kleine Läden und Restaurants zu entdecken, die nirgendwo sonst zu finden sind. Hierbei hatte ich nicht erwartet, so viele Restaurants mit veganen und vegetarischen Angeboten zu sehen. Meine Gastfamilie erklärte mir, dass Brighton die Hauptstadt des veganen und vegetarischen Essens in Großbritannien sei. Selbst auf der Touristenmeile finden sich immer fleischlose Alternativen.

Foto: P. Holste

Der „Brighton Palace Pier“ direkt am und auf dem Meer ist vermutlich die bekannteste Attraktion in Brighton. Hier lassen sich viele kleine Stände mit Essen oder Souvenirs finden, da dies das Hauptziel für Tourist:innen ist. Weiter hinten sind Attraktionen aufgebaut, wie man sie sich auf einem Jahrmarkt vorstellen kann. Von Achterbahn bis zum Karussell ist alles zu finden. Einen noch besseren Blick auf die Stadt von oben hat man mit dem i360 – oder wie ihn die „Brightonians“ nennen: Doughnut on a stick. Vor allem die beeindruckenden Sonnenuntergänge lassen sich abends von hier aus noch viel besser erkennen, als schon vom Strand aus.

Foto: P. Holste
Foto: P. Holste
Foto: P. Holste

Die Menschen in Brighton und der Umgang miteinander hier haben mich aber auch ein wenig überrascht.

Diese Stadt ist offen, bunt, fröhlich, aber insbesondere divers. Überall in Brighton sieht man Banner, Poster und Kunstwerke gegen jegliche Diskriminierung. Vor allem ist hier auch die LGBTQIA + Community sehr groß, weshalb überall für Akzeptanz und Offenheit geworben wird.

Foto: P. Holste

Aber die meisten der vielen (jungen) Leute, die hier leben, sind nicht nur offen, sondern auch immer freundlich und fröhlich. Sie haben kein Problem zu helfen oder sich im Bus auch mal mit Fremden zu unterhalten – man fühlt sich hier einfach willkommen. Der Umgang generell miteinander ist viel entgegenkommender und wertschätzender. Man bedankt sich beim Busfahrer oder der Busfahrerin, wenn die Türen zum Aussteigen aufgemacht werden.

Aber es gab noch einige weitere unerwartete Veränderungen hier für mich. Naja, erwartet habe ich dies schon mehr – sagen wir, es ist eine umfassende Veränderung zu Deutschland. Allen voran:

Die Digitalisierung. Man hat hier nicht nur beinahe in jedem Laden und jedem Bus WLAN, sondern zur Not auch überall 5G. Bustickets im Bus zu kaufen, ist unüblich. Hier gibt es einfach eine App für alle Busse in der ganzen Region und man bekommt anstatt eines Tickets einen QR-Code, den man im Bus unter einen Scanner halten muss – in Deutschland sieht das noch anders aus…

Auch für viele Aktivitäten in der Freizeit kann man sich nur – oder viel einfacher – vorab online eintragen, zum Beispiel im Schwimmbad.

Ebenso unvorstellbar in Deutschland: Obwohl hier nur Busse den innerstädtischen ÖPNV bilden, erreicht man das Ziel pünktlich und einfach. Die Busfahrerinnen und Busfahrer sind sogar so auf Zeit getrimmt, dass sie einfach an der Haltestelle vorbeifahren, wenn man nicht – beispielsweise mit dem Arm – klar anzeigt, dass man einsteigen möchte. So viele Menschen hier nutzen daher einfach nur den Bus, anstatt ihres Autos, der hier oft auch noch elektrisch oder sogar mittig Solarenergie angetrieben wird.

Außerdem fahren täglich mehrere (pünktliche!) Züge nach London, mit denen man nach einer Stunde unkompliziert dort ist.

Abschließend noch ein paar weitere deutliche Unterschiede zu Deutschland: Da hier die Fußgängerampeln sehr lange brauchen, um auf Grün zu schalten, gehen alle Fußgänger:innen bei Rot über die Ampel, wenn gerade kein Auto kommt. Zudem werden hier alle öffentlichen Orte, aber auch teilweise private Anwesen mit Video überwacht. Eine streitbare Veränderung. Denn einerseits, in physischer Sicht, fühlt man sich definitiv sicherer, aber in der eigenen Privatsphäre und Anonymität fühlt man sich unsicherer. Die britische Regierung hat aber im Gegensatz zu der deutschen die Entscheidung getroffen, welche Sicherheit für sie wichtiger ist.

In meiner Gastfamilie habe ich eine weitere Veränderung bemerkt: die Menschen hier in Brighton trinken kein Wasser aus Flaschen, die sie im Supermarkt kaufen, sondern nutzen nur ihr Leitungswasser von zu Hause, was natürlich viel Plastik vermeidet. Ebenfalls versucht Brighton dies als Stadt, beispielsweise indem sie im Juli an der Initiative „Plastic Free July“ (https://www.plasticfreejuly.org/) teilnahmen, sowie bemüht man sich, mehr zu recyceln, wofür es extra „Recycling Points“ überall in der Stadt gibt, zu denen man bestimmten Müll zum Recyceln bringen kann. Aber generell ist das Ziel hier in Brighton, eine sauberere Stadt zu entwickeln, was meiner Meinung nach vergleichsweise gut klappt. Das mag auch daran liegen, dass wenn eine Person dabei gesehen wird, wie sie Müll in die Umwelt entsorgt, dies mit 150 Pfund geahndet wird.

Neben der vielen – auch hier nicht erwähnten – Attraktionen in Brighton gibt es also viele Gründe, diese Stadt im Süden Englands zu besuchen. Auch um eine andere Kultur und Lebensweisen kennenzulernen, sowie vielleicht Ideen für die zukünftige Entwicklung unserer eigenen Städte zu finden.

Foto: P. Holste
Foto: P. Holste
Foto: P. Holste

Paula Holste

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