Ein Bundeskanzler, der mehr Haare als Mimik hat
Eine Außenministerin, die keiner wollte
Ein Wirtschaftsminister, oder doch ein Metaphern-spuckendes Etwas?
Ein Finanzminister, der sein eigenes Unternehmen gegen die Wand gefahren hat
Ein Landwirtschaftsminister, der mit dem Fahrrad kommt
Ein Gesundheitsminister – oder doch eher ein Talkshowmaster?
Dies war zumindest die Auffassung vieler BürgerInnen zur Amtseinführung der ersten deutschen Ampelregierung aus SPD, Grüne und FDP auf Bundesebene am 08.12.2021. Doch inzwischen sind 100 Tage vergangen. Wie sieht es nun aus? Was hat sich verändert?
Im Koalitionsvertrag der drei Parteien waren viele ambitionierte Ziele festgelegt, zum Beispiel der Kohleausstieg „idealerweise“ schon 2030, und eine möglichst schnelle Umsetzung versprochen worden. Dass die Regierung durchaus gewillt ist, möglichst schnell und engagiert zu arbeiten, zeigte sich gleich in den ersten Tagen nach der Amtseinführung. Innerhalb einer halben Stunde wurde am 16.12. ein elementarer Teil der deutschen Demokratie revolutioniert: Die Sitzordnung im Bundestag. Weiterhin neben den pöbelnden Mitgliedern des Bundestages (aka AfD) zu sitzen, wäre für die FDP untragbar gewesen, um effizient arbeiten zu können. Nur ein paar Meter weiter links ist das ja definitiv besser möglich…
(Dass die CDU den Sitzplatztausch leidenschaftlich abgelehnt hatte, hat niemanden gestört)
Wie sieht die Bevölkerung die Bundesregierung jetzt?
Anlässlich der nun schon 100 Tage andauernden Amtszeit veröffentlichte der Spiegel nun eine „Allensbach-Studie“, die das Meinungsbild der Bevölkerung Ende Februar im Bezug auf die neue Regierung darstellt. Die Hälfte der Befragten meint, die Ampel habe Wille zur Erneuerung, genauso viele Teilnehmer der Studie gaben an, in Zukunft mit persönlichen Nachteilen durch den Klimaschutz zu rechnen.
Nur 16% der Befragten schrieben der Regierung Führungsstärke, 18% gute Kommunikation zu.
Was wurde bereits erreicht bzw. verändert?
Zu Beginn der Amtszeit war die allgemeine Impfpflicht eines der am meist diskutierten Themen in Deutschland. Olaf Scholz persönlich setzte sich für sie ein – gekommen ist sie bis jetzt jedoch nicht. Dennoch hat die Ampelregierung einige Zustimmung in ihrer Corona-Politik bekommen, indem sie einen Corona-Expertenrat zur Beratung der Regierung eingeführt hat und den bei der Bevölkerung beliebten „Warner“ und Epidemiologe, Karl Lauterbach, zum Gesundheitsminister ernannt hat. Dann hat die Regierung, auch auf Druck der FDP, mit den MinisterpräsidentInnen abgestimmt, alle tiefgreifenden Corona-Maßnahmen bis zum 20.03. fallen zu lassen. Ein Schritt, den vor allem viele BürgerInnen befürwortet haben. Inzwischen jedoch wird der Schritt wegen immer neuen Höchstständen bei den Corona-Infektionen auch von ExpertInnen kritisch gesehen. Die Regierung möchte von ihrem Schritt vorerst jedoch nicht abrücken und das Infektionsschutzgesetz dahingehend ändern, dass die Ländern die Kompetenzen bekommen, notfalls wieder Schutzmaßnahmen einzuführen und zu verschärfen.
Nicht nur im Bezug auf Corona musste sich die Ampel als Krisenmanager beweisen. Als sie ihre Regierungsgeschäfte aufnahm, hat wohl niemand mit einem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine gerechnet. Doch am 24.02. fielen die seit Wochen an der Grenze zur Ukraine aufgebauten Truppen in das Land ein und die Regierung musste ihren vorherigen Kurs im Umgang mit dem russischen Truppenaufmarsch ändern. Zuerst hatte die Ampelregierung – vor allem die SPD das Wort „Nord Stream 2“ und das Verbot der Gas-Pipeline, die eigentlich russisches Gas nach Deutschland befördern sollte, nicht als mögliche Sanktion im Falle eines russischen Einmarsches bestätigt. Das hat viel Kritik auf sich gezogen sowie, dass Olaf Scholz erst sehr spät zu Gesprächen mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, gereist sei. Aber als Russlands Präsident dann völkerrechtswidrig die von prorussischen selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine anerkannt hat, stoppte Scholz jedoch Nord Stream 2 unverzüglich. Als er dann einige Tage später eine vollkommene Wende in der Sicherheits- und Außenpolitik vollzog, stieg seine Zustimmung in der Bevölkerung um 20%. Scholz kündigte an, 100 Milliarden Euro zusätzlich in die Bundeswehr für eine Erneuerung der Truppen zu investieren sowie nun doch Waffenlieferungen an die Ukraine über Drittländer zuzulassen. Erst hatten Estland und dann die Niederlande um Deutschlands Zustimmung gebeten, Waffen aus alten DDR-Beständen an die Ukraine zu liefern. Zunächst hatte Deutschlands Regierung dies vehement abgelehnt, nun aber vollzog Deutschland unter Scholz die Kehrtwende. Auch die studierte Außenministerin Baerbock, der zu Beginn ihrer Amtszeit nicht viel zugetraut wurde, gewann durch viele deutliche Worte in Richtung viel Zustimmung der Bevölkerung.
Eine neue Klimapolitik war das Herzstück des Koalitionsvertrages der Ampel. Doch noch nicht einen Monat nach Unterzeichnung dieses Koalitionsvertrages machte die EU den Plänen der Ampel einen Strich durch die Rechnung. In die sogenannte Taxonomie, eine Art Liste der klimafreundliche Energien, wurde nun auch Atomenergie und Energie aus Gas unter bestimmten Bedingungen als Übergangsenergien für Erneuerbare Energien genutzt werden können, aufgenommen; vor allem auf Druck von jeweils Frankreich und Deutschland. Insbesondere die Grünen haben sich als Partei der Atomkraft-Gegner gegen die Aufnahme der Solchen in die Taxonomie gewehrt, aber auch die gesamte Ampelregierung sprach sich dagegen aus. Damit wurden nämlich erstmal die Pläne, den Atomausstieg 2022 durchzusetzen, internationaler Kritik ausgesetzt. Durch den Ukraine-Krieg und stark steigende Energie- und Strompreise sowie die Aufgabe, die BürgerInnen möglichst schnell zu entlasten, gerät der Klimaschutz zur Zeit ein wenig aus dem Fokus. Zudem muss eine neue Alternative für russisches Gas schnellstmöglich her, da Deutschland zukünftig nicht von solch einem Kriegstreiber anhängig sein möchte und mehr als die Hälfte des deutschen Gases aus Russland kommen. Speziell ist mehr amerikanisches Flüssiggas im Gespräch, auch die Rückkehr der Atomenergie war kurzzeitig im Gespräch und sollte überprüft werden, wurde von der Umweltministerin und dem Wirtschafts- sowie Klimaminister jedoch abgelehnt. Somit wird gerade mehr über fossile Energien gesprochen, als Erneuerbare Energien, die schließlich nicht so schnell bei einem Boykott russischen Gasas und Öl von Deutschland aus oder bei einer Verweigerung der Lieferung dieser Rohstoffe an Deutschland von Russland aus, beispielsweise wegen der westlichen Sanktionen im Krieg gegen Russland, genutzt werden könnten. Zuletzt sollen zur Zeit wegen eines Rekordhochs bei den Spritpreisen auch noch Autofahrer, die mit fossilen Rohstoffen fahren, entlastet werden. Irgendwie ein Widerspruch in Sachen Klimaschutz.
Abschließend kann man sagen, dass die Ampelregierung einerseits ihren Vorurteilen treu geblieben ist, mit Karl Lauterbach als Warner der Pandemie, andererseits hat sie auch viele Erwartungen übertroffen. Die Außenministerin hat viel Anerkennung für ihre Reden zum Ukraine-Konflikt bekommen und der Kanzler für seine 180 Grad-Wende in der Sicherheitspolitik. Dennoch hat die neue Regierung noch einige Probleme und Krisen zu lösen und natürlich noch einige Versprechen, speziell im Bereich Klima, einzuhalten.
Paula und Marika