– als das Ausmaß des Grauens sichtbar wurde
Heute vor genau 77 Jahren, dem 27.01.1945, erreichte die Rote Armee der Sowjetunion die Region um Krakau in Polen, wo das größte Konzentrationslager der deutschen Nationalsozialisten im Vorort der Stadt Oswiecim, Auschwitz, 1940 errichtet worden war. Erst jetzt wurde ihnen das Ausmaß des nationalsozialistischen Wahns bewusst. Bis zu diesem Zeitpunkt waren hier ungefähr 1,1 Millionen Menschen auf grausamste Weise ermordet worden. Nur noch 7.650 Überlebende konnten vorgefunden werden, alle anderen Häftlinge waren den unmenschlichsten Zuständen zum Opfer gefallen oder von den Nationalsozialisten auf die „Todesmärsche“ in Richtung der anderen Konzentrationslager im Westen getrieben worden, um sie dort ebenfalls noch zu vernichten, bevor die Rote Armee auch bis dorthin vorrücken würde.
Auschwitz bestand aus drei größeren Lagerkomplexen: Auschwitz (I), das zuerst errichtete Stammlager; Auschwitz (II)-Birkenau, das Vernichtungslager mit den Gaskammern, in dem alle deportierten Juden auf der sogenannten „Rampe“ ankamen; und Auschwitz (III), auch Monowitz genannt. Dazu gab es in der Region weitere 47 Nebenlager, in denen einige KZ-Häftlinge untergebracht waren, um in Fabriken oder auf Höfen als Arbeitssklaven zu arbeiten.
Auf Befehl des SS-Chefs Heinrich Himmler vom 27.04.1940 sollte das Kasernengelände in Oswiecim in Polen nun zu einem Konzentrationslager für hauptsächlich Juden werden, aber auch Sinti und Roma sowie weitere Personengruppierungen, die nicht dem arischen Bild der Nationalsozialisten entsprachen. Damit entstand das Stamm-Lager Auschwitz, das später für die schrecklichen Exekutionsmethoden unter den Häftlingen berüchtigt war. Zuerst wurden dort zum Großteil nur polnische politische Gefangene inhaftiert. Im März 1941 kam die weitere Anweisung Himmlers ein weiteres Lager zu erbauen – Auschwitz (II)-Birkenau – da zu diesem Zeitpunkt schon 10.000 Häftlinge dort gefangen waren. Im Sommer kam dann ein weiterer Befehl. Auschwitz-Birkenau sollte nun ein Vernichtungslager für die 11.000.000 europäischen Juden werden – zur „Endlösung der Judenfrage“. Im Zuge dessen entstanden vier Gaskammern, in denen am Tag bis zu 6.000 Menschen durch das ursprüngliche Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon-B ermordet werden konnten und später in den Krematorien verbrannt wurden. Sie waren mit Absicht abseits der Baracken aufgestellt worden, damit die Schreie nicht zu hören waren und man die Gaskammern weiterhin als Duschen zur Desinfektion tarnen konnte. Insbesondere alte, schwache Menschen und Mütter sowie kleine Kinder wurden dort kurz nach ihrer Herkunft ermordet. Alle anderen, die als „arbeitsfähig“ bezeichneten Inhaftierten, mussten in deutschen Fabriken als günstige Zwangsarbeiter schwerste körperliche Arbeit verrichten, sodass sie aus Erschöpfung starben. Etwas zu Essen oder Schutz in den Baracken gab es schließlich kaum. Berüchtigt für den Einsatz von Zwangsarbeitern waren besonders Monitionslieferanten für den Krieg und der Chemie-Konzern IG Farben. Weil sie billige Arbeitskräfte benötigten, wurde das Lager Auschwitz-Monowitz erst erbaut.
Der Schriftzug über dem Eingangstor zum Lager hin „Arbeit macht frei“ war dementsprechend ein Zeichen der Erniedrigung und Gleichgültigkeit seitens der Nationalsozialisten.
Die größtenteils Juden, die aus ganz Europa in Viehwaggons eingepfercht mit dem Zug nach Auschwitz deportiert wurden, wurden auf dem Bahnsteig vor dem Eingang zum Lager, auch „Rampe“ oder „Judenrampe“ genannte, selektiert. Männer und Frauen mussten sich getrennt von einander aufstellen und je nach Laune der diensthabenden Offiziere wurden einige, meist als „nicht-arbeitsfähig“ angesehen, in die Gaskammern geschickt. Die „Arbeitsfähigen“ wurden weiter in kleinere Gruppen geteilt, wobei sich die meisten Familien aus den Augen verloren und sich nie wieder sahen. Alles Gepäck und die Kleidung sowie Schmuck wurde den Häftlingen abgenommen, ihre Haare abrasiert und sie mussten die bläulich-weiß-gestreifte KZ-Kleidung anziehen. Später wurden mehr als acht Tonnen Haare und mehr als eine Million Kleidungsstücke gefunden.
Jeden Tag gab es einen sogenannten „Morgenappell“ und „Abendappell“. Dabei wurden alle Häftlinge einzeln gezählt. Wurde sich verzählt oder jemand fehlte, wurde von vorne gezählt. Besonders abends zogen sich die Appelle stundenlang hin und wurden genutzt, um Inhaftierte wegen vermeintlicher Verstöße brutal zu bestrafen. Insbesondere im Winter bei Minusgraden starben viele Menschen durch Unterkühlung während der stundenlangen Appelle. Viele starben auch hier aus Erschöpfung, denn egal wie krank sie waren, sie mussten erscheinen und durften sich nicht hinsetzten. Teilweise entschieden die Offiziere schon während des Morgenappells, wer am Tag sterben müsse. Ausschlaggebend war oft nur die Laune des Offiziers oder ob die Häftlinge aufrecht standen.
Die meisten Menschen starben in Auschwitz oder versuchten gar nicht erst herauszukommen. Die meterhohen Starkstromzäune waren zu schwer zu überwinden und hätten die Wächter die Flüchtigen erwischt, hätte dies den grausamsten Tod von allem bedeutet, zum Beispiel den Hungertod. Durch die Aussichtslosigkeit zwischen Tod durch Hunger und Erschöpfung warfen sich einige Häftlinge auch gegen die Stromzäune. Sie sahen es als letzten Ausweg. Einige Menschen wagten jedoch die Flucht und wurden nicht erwischt. Alfred Wetzler und Walter Rosenberg konnten fliehen und berichteten später von den Gräueltaten in Auschwitz. Für die wenigen gelungenen Flucht-Versuche mussten oft aber Mitgefangene jämmerlich sterben.
Ein anderes Grauen in Auschwitz waren die Versuche des berüchtigten Arztes Josef Mengele, die er mit Menschen, insbesondere Zwillingen, durchführte. Er spritzte ihnen Gifte, entnahm Organe und führte allerlei weitere unvorstellbar grausame Experimente an den Menschen durch. Auch die sogenannten „Kapos“ lösten Angst bei den Häftlingen aus. Dies waren von den Wächtern ausgewählte Häftlinge, die Mithäftlinge bei Verstößen gegen Regeln bestrafen durften, oder besser mussten – mit brutalsten Mitteln. Dafür erhielten sie jedoch Begünstigungen.
Als Ende 1944 und Anfang 1945 die Rote Armee der Sowjetunion aus dem Osten immer näherrückte, befahl Heinrich Himmler, die Gaskammern und Krematorien zu zerstören, um möglichst viel ihrer Gräueltaten vor dem Feind zu verbergen. Alle Häftlinge, die irgendwie noch gehen konnten, mussten auf die Todesmärsche nach Westen, um sie in andere Konzentrationslager zu verlegen und dort sterben zu lassen. Ein Großteil der Häftlinge starb aber schon während der langen Märsche und durch die eisigen Wintertemperaturen.
Als die Rote Armee Auschwitz erreichte, wusste sie nicht, wie ihr geschah. 7.650 Menschen, ausgehungert bis auf die Knochen, eingesperrt. Eine riesige Anlage mit Bahngleisen. Überbleibsel wie Kleidung und Gepäck in Tonnen. Massengräber.
In diesem Moment wird bekannt, wie die Deutschen ihren „Rassen-Wahn“ tatsächlich geplant umgesetzt haben und welches riesige Ausmaß dies hatte. Dabei waren Gaskammern und Krematorien zerstört, die meisten überlebenden Häftlinge auf Richtung Westen und Auschwitz war das größte, aber nicht das letzte Konzentrationslager, das man finden würde.
Obwohl die Häftlinge so schnell wie möglich befreit und versorgt wurden, starben viele wenig später an den Folgen der Tortur in Auschwitz. Ganze Familien waren ermordet worden oder konnten sich nie wieder sehen.
Erst seit 1996 ist der 27.01. deutschlandweit und gesetzlich verankert der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, um an das schreckliche Leid in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern zu erinnern sowie an das allgemeine Leid aller Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt worden sind.
Paula und Marika