Eine Richtungswahl oder doch nicht?
In weniger als 24 Stunden wählen wir Deutschen unseren neuen Bundestag. Wobei, genau genommen kann man gar nicht von „wir“ sprechen, denn 20 Millionen Menschen in Deutschland sind von der Wahl ausgeschlossen, die meisten SchülerInnen der Eichenschule inbegriffen. Der Großteil der Wahlberechtigten in Deutschland sind sogar diejenigen, die das Alter von 60 Jahren bereits überschritten haben.
Alle drei KanzlerkandidatInnen sowie die SpitzenkandidatInnen haben die kommende Bundestagswahl als „Richtungswahl“ beschrieben. Besonders für die jüngeren Menschen in Deutschland. Denn der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin wird entscheiden, ob und wie Deutschland dem Klimawandel begegnet – entweder wir machen weiter wie jetzt, erreichen festgelegte Klimaziele nicht und nehmen Katastrophen wie das Hochwasser vor zwei Monaten wieder in Kauf oder wir begegnen dem Klimawandel endlich angemessen und versuchen der jungen Generation und natürlich den zukünftigen Generationen eine lebenswerte Zukunft zu geben. Da man aber in Deutschland erst ab 18 Jahren wählen darf und die meisten Wahlberechtigten eben über 60 sind, entscheiden nur leider nicht diejenigen über diese Zukunft, die sie erleben werden und mit allen Konsequenzen der jetzigen Politik klarkommen müssen, sondern genau die Menschen, den diese Zukunft, unabhängig davon wie sie wird, herzlich egal sein kann.
Wie man nun an den Themen, die die Deutschen als am wichtigsten in dieser Wahl sind, sehen kann sowie an den zahlreichen Umfragen kurz vor der Wahl, ist den meisten Deutschen die Zukunft, die sie teilweise nicht oder kaum noch erleben werden, auch tatsächlich komplett egal.
Dabei sollte man doch nach mehr als 18 Monaten Corona-Pandemie, in denen sich nicht-wahlberechtigte Kinder und Jugendliche für die älteren Wahlberechtigten eingeschränkt haben, um sie zu schützen, meinen, dass die Kinder und Jugendlichen bei dieser Bundestagswahl nun von allen Wahlberechtigten diese Solidarität in der Pandemie, die für Kinder und Jugendliche viel Verzicht bedeutete und ihnen viel abverlangt hat, endlich zurückfordern dürfen. Indem die Erwachsenen ihr Kreuz nämlich nicht nur nach möglichst wenig Veränderung oder wenig möglichen Verboten machen, sondern auch einmal an die Zukunft denken, die sie vermutlich nicht mehr erleben werden, aber die Kinder und Jugendliche, über die sie in dem Moment der Wahl entscheiden. Es erklärt sich von selbst, dass diese Zukunft so gut aussehen sollte, wie nur möglich – das würde nicht nur jede/r wollen, sondern das haben die Kinder und Jugendlichen nach anderthalb Jahren scharfer Einschränkungen auch verdient.
Aber wie schon vor Corona mit „Fridays for Future“ und währenddessen mit allen möglichen wichtigen Anliegen werden die Jugendlichen und Kinder einmal mehr ignoriert. Anstatt über die einzelnen Parteiprogramme und Anliegen für die Jugend zu sprechen, im Speziellen eben über das Klima und eine möglichst lebenswerte Zukunft, werden irgendwelche, teilweise kleinsten Fehltritte zum größten Wahlkampfthema gemacht. Niemand sagt, man solle solche Fehler der Kanzlerkandidaten und der Kanzlerkandidatin außer acht lassen, jedoch geht es bei dieser Wahl um Wichtigeres:
Um die Zukunft vieler Menschen und Generationen. Dabei ist dies nicht nur einfach ein dahingesagter Satz, sondern ein Fakt. Immer wieder betonen KlimaforscherInnen: Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Aber lieber diskutieren die Deutschen über kleinste Plagiate und dass einige Parteien sie ja in der deutschen Sprache umerziehen wollen würden.
Allein dass erst das deutsche Verfassungsgericht die Klimapläne der jetzigen Großen Koalition kippen musste, damit mal irgendwer versteht, dass der Klimawandel und dessen Bekämpfung wirklich überfällig sind, ist nicht nur traurig, sondern Versagen. KlimaforscherInnen und Jugendliche haben jahrelang darauf hingewiesen. Es ist wirklich Zeit, die Nicht-Wahlberechtigten mit in Entscheidungen und Debatten miteinzubeziehen. Es geht um deren Zukunft.
Die Bundestagswahl am 26.09. zum 20. deutschen Bundestag sei eine Richtungswahl. Das haben wir alle tausendfach gehört. Jedoch ist vielen Wahlberechtigten die kommende Richtung weitestgehend egal, sie sollte nur möglichst angenehm sein, also ohne Tempolimit. Diejenigen, um deren Zukunft es bei dieser Bundestagswahl geht, dürfen nicht wählen und anstatt wenigstens über die Themen, die ihnen wichtig sind zu diskutieren, werden sie wieder einmal ignoriert. Solidarität kann aber im Endeffekt nicht nur von der Seite der Kinder und Jugendlichen kommen. Sie dürfen also ihre bedingungslos gezeigte Solidarität nun zurückfordern, sodass über ihre Themen gesprochen werden sollte und für eine möglichst gute Zukunft ihrerseits entschieden werden sollte – auch wenn das heißt, vielleicht Veränderungen zu akzeptieren und nicht drei mal im Jahr nach Mallorca zu fliegen. Des Weiteren heißt Demokratie schließlich die Herrschaft des Volkes, wozu ebenso Kinder und Jugendliche gehören, selbst wenn sie nicht wählen dürfen. Es ist also nicht nur eine Bitte, die Anliegen der jungen Generationen bei dieser Wahl zu beachten, sondern die Pflicht aller BürgerInnen eines demokratischen Staates wie Deutschland.
Von Paula Holste und Marika Münkel