Der 12. Mann auf dem Fußballfeld: die Fans. Seit einem Jahr: Geschichte. Die Ursache: Corona-Geisterspiele.
Am 11. März 2020 rollte wegen der Corona-Pandemie der erste Geisterball. Wir schreiben den 3. Spieltag der Rücksaison 2020, an dem Borussia Mönchengladbach den 1. FC Köln empfängt. Das Derby endet mit einem knappen Sieg für Mönchengladbach. An diesem 11. März letzten Jahres verkleiden sich die Fans beider Mannschaften als Geister und stehen vor dem Stadion. Außerdem halten einige von ihnen Schilder mit der Aufschrift „Geisterspiel, wir wollen rein!“.
Keine Menschen im Stadion? Vor einem Jahr ein Aufreger. Heute Normalität. Dies zeigt, wie sich die Fankultur innerhalb eines Jahres verändert hat. Heute wäre eine Fandemonstration vor dem Stadion undenkbar. Die Menschen mussten sich an die Geisterspiele gewöhnen und haben sich mit dem Geisterfußball abgefunden. Heute weiß man, dass die Proteste vor dem Stadion nichts bewirkten und man ein Jahr später immer noch nicht ins Stadion gehen kann, um seinen Verein anzufeuern. Vor einem Jahr hatte man mit einigen Wochen Geisterspielen gerechnet. Dass man mehr als ein ganzes Jahr lang nicht ins Stadion gehen könnte, war eine undenkbare Horrorvorstellung.
Nicht nur die Fans leiden. Seit dem März 2020 rechnet die Bundesliga mit einem Verlust von mehr als 822 Millionen Euro. Diese finanziellen Einbußen waren den Politikern ganz bestimmt bewusst. An erster Stelle stand und stehen jedoch die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung. Dies sind erschreckende Zahlen für die Fans der Clubs, doch nach ungefähr fünf Monaten gibt es an diesem Wochenende einen Hoffnungsschimmer. Der Drittligist Hansa Rostock darf wieder vor ein paar hundert Fans spielen. Das war eine überraschende Nachricht, die am 18.03.2021 durch die Presse lief. Viele Fußballfans bekommen wieder Hoffnung, dass sie selbst bald wieder ins Stadion gehen können. Das letzte Profispiel, das vor Fans und nicht vor geisterhaft leeren Rängen ausgetragen wurde, fand am 1. November letzten Jahres statt. Die Partie Karlsruher SC gegen den SV Darmstadt 98 ging mit 3:4 für die Gäste aus. Dies durften damals 450 Menschen live sehen.
Das Spiel von Hansa Rostock an diesem Wochenende gegen den Halleschen FC darf nur deshalb vor Zuschauern vorgetragen werden, da die Sieben-Tage-Indenz von Rostock bei unter 25 liegt. Ins Stadion dürfen allerdings nur die Fans von Hansa Rostock, die eine Dauerkarte haben oder Ticketinhaber von Partnerfirmen sind. Es werden extra vor dem Stadion Schnelltests gemacht. Auf den Rängen herrscht absolute Maskenpflicht, wie auch überall im Stadion.
Für den Fußballfan ist es sehr schade, dass seit über einem Jahr Geisterbälle rollen, denn der 12. Mann war vor der Pandemie eine nicht wegzudenkender Größe im Fußball. Mittlerweile weiß die Fußballwelt nicht einmal mehr, wie es überhaupt ist, mit Fans im Stadion zu sein. Doch der Hoffnungsschimmer dieses Wochenendes gibt vielen Spielern und Fans wieder die Hoffnung, daran zu glauben, dass die Geisterspiele irgendwann Geschichte sein werden. Auch wenn es ein sehr riskantes Unterfangen ist: die Fans von Hansa Rostock freuen sich und die Fans der anderen Vereine hoffen, bald ebenfalls wieder im Stadion mitfiebern zu können.
„Corona ist verrückt“, sagt der Sky-Kommentator Wolff-Christoph Fuss in seinem Buch „Geisterball“ und wir und alle Fußballfans können ihm bei dieser Aussage nur zustimmen.
von Lasse Habeck und Benjamin Rehberg