IServ – Freund oder Feind?

Lehrer und die digitalen Medien, das ist schon eine Sache für sich. Die eine, die sehr gut damit umgehen kann und den Unterricht wirklich interessant und modern gestaltet. Der andere, der nicht mal ein iPad zu besitzen scheint und dessen bester Freund der Overheadprojektor ist. Und auch unsere neuen, digitalen Tafeln scheinen ein riesiges Mysterium für den ein oder anderen zu sein. Was tun, wenn das neumodische Teil plötzlich nicht mehr angeht? Erstmal sämtliche Knöpfe drücken, den ein oder anderen Fluch ausstoßen und dann den Hausmeister um Hilfe bitten, der einen dann vor den Schülern blamiert, indem er den Stecker in die Steckdose steckt. Ohne Strom geht es schließlich nicht. Zugegeben, für uns Schüler sind die Technikpannen unserer Lehrkräfte immer sehr amüsant, besonders wenn sie von uns neue Dinge lernen und den Eindruck erwecken, als hätten wir ihnen so eben das achte Weltwunder präsentiert, aber hinsichtlich der wütenden Pandemie und dem digitalen Homeschooling, bereitet das auch Sorgen. Werden alle Lehrer trotz der technischen Barriere guten Unterricht anbieten können? Und sind Schulserver beim Lernen wirklich eine Bereicherung für alle Beteiligten?

Deutschlandweit nutzen ungefähr 4200 Schulen die Schulplattform IServ zur Ausführung des Online-Unterrichts, da die Schulen nun wieder geschlossen sind.

Wir Schülerinnen und Schüler befinden uns seit dem 16.12.2020 wieder im Szenario C, dem Homeschooling, da die Schulen infolge der zu hohen Infektionszahlen geschlossen werden mussten. Seitdem sitzen wir täglich mehrere Stunden vor den Bildschirmen. Entweder, um langweiligen und teilweise sinnlosen Videokonferenzen zu folgen oder um Aufgaben zu erledigen. Zur Durchführung dieses Online-Unterrichts nutzen viele Schulen, so auch unsere, den Schulserver IServ.

Wir Schüler nutzen dieses Portal seit dem ersten Lockdown um einiges intensiver. IServ ist mittlerweile jedem ein bekannter Begriff, niemand vergisst mehr sein Passwort und auch das Postfach zeigt nur noch selten ungelesene Mails an. Eigentlich ist IServ ein gut aufgestelltes Programm: Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern durch E-Mails, ein Messenger und ein Modul für Videokonferenzen. Außerdem ein Aufgabenmodul, in welches Lehrer Aufgaben für ihre Klassen einstellen können. Die Schüler können dann nach Bearbeitung ihre Ergebnisse einstellen beziehungsweise das Erledigen der Aufgabe bestätigen. Es würde uns das Lernen zu Hause sehr erleichtern, also definitiv Freund – wenn es denn funktionieren würde….

Im Frühjahr 2020 hatten wir alle Verständnis, dass es immer wieder zu Problemen kam, gerade da nicht einmal jeder Schüler ein Endgerät beziehungsweise stabiles Internet zur Verfügung hatte. Man musste sich zurechtfinden und vieles erst einmal ausprobieren, denn die Schulen wurden von dem einen auf den anderen Tag geschlossen und zuvor war erst wenig im Bereich der Digitalisierung an deutschen Schulen geschehen. Nach einer gewissen Zeit aber wurden die Probleme anstrengend, denn die Schließung der Schulen war nicht nur vorübergehend gewesen. Eine Lösung musste her. Der Unterricht musste vorangehen, die Wissenslücken durften nicht größer werden. Aber was wurde eigentlich dagegen unternommen? Von der Regierung hieß es immer nur „Es muss gehen“, „Halten Sie durch“ und „Corona macht uns allen zu schaffen“. Natürlich, Corona ist schuld. Aber warum hörte man dann aus anderen Ländern, dass alles wunderbar klappt? Tja, wer weiß das schon, an Deutschland liegt es nicht, denn wir sind ja technisch gut aufgestellt. Schon klar. Aber warum kann es nicht einfach noch besser klappen? Das diese Möglichkeiten besteht, zeigen andere Mitglieder der EU deutlich. Eines der führenden Länder im Bereich der Digitalisierung an Schulen ist Dänemark. Bei den Dänen war die Digitale Bildung sogar schon vor der Pandemie im ganzen Land etabliert. Laut der internationalen Studie ICILS (International Computer and Information Study) gaben 91% der befragten SchülerInnen an, dass sie täglich digitale Medien im Unterricht nutzen. In Deutschland sind es übrigens nur 4%! Aber auch andere Länder sind deutlich weiter als Deutschland. Estland zum Beispiel hat bereits 1999 die ersten Schulen an das Internet angeschlossen. Etwas, das in Deutschland, wo bis vor wenigen Jahren noch der Overheadprojektor und der Fernsehwagen die Vorherrschaft inne hatten, unvorstellbar gewesen wäre. Natürlich gibt es auch Länder, die wie Deutschland noch einiges nachholen müssen, aber auch die sind größtenteils weiter vorangeschritten als Deutschland. Nur Italien hängt noch deutlich hinter Deutschland zurück und belegt im europäischen Vergleich der ICILS-Studie den letzten Platz.

Im Sommer 2020 ging es dann endlich in die Schule zurück. Nicht wie gewohnt, aber das war nicht schlimm. Hauptsache, nicht immer zu Hause und nur vor den Bildschirmen sitzen, endlich wieder wirklich etwas lernen. Hoffen, dass wir solange wie möglich im Präsenzunterricht oder dem Szenario B bleiben können. Hoffen, dass die Regierung die Digitalisierung vorantreibt und deutschlandweit für eine stabilere Internetverbindung sorgt.

Ist es hoffnungslos, auf so etwas zu hoffen? Im Falle der Hoffnung, den Präsenzunterricht zu erhalten, wohl schon, denn nun befinden wir uns schon wieder seit einigen Wochen im Szenario C, dem Homeschooling. Blieb nur die Hoffnung, dass das Lernen reibungsloser klappt. Hat es vielleicht eine Verbesserung gegeben?

Nein. Es ist 7.29 Uhr in der Früh, der erste Tag nach den Weihnachtsferien. Wir beide sitzen vor unseren iPads, IServ schon geöffnet, und warten auf die erste Aufgabe. Die Uhr springt auf 7.30 Uhr um, Stundenbeginn. Jetzt sollte eigentlich unsere erste Aufgabe aufploppen. Doch stattdessen stürzt plötzlich der Server ab. Minutenlang geht gar nichts, danach zumindest wieder etwas, aber nur sehr, sehr langsam. So zog es sich die ganze Woche weiter. Besonders die angesetzten Videokonferenzen stellten ein Problem dar. IServ war durch die hohe Anzahl der Schüler, die IServ nutzen, überlastet. IServ ist wohl doch eher unser Feind.

Eigentlich sitzen wir morgens vor dem Rechner und wollen etwas lernen, aber nun warten wir 45 Minuten, bis der Lehrer sich zurückmeldet, um uns mitzuteilen, dass die Videokonferenz leider nicht geklappt hat. Vielleicht ja morgen. Manchmal bezeichnen wir das normale Lernen in der Schule schon als „Absitzen der Zeit“. Wie sollen wir es jetzt nennen? Im Gegensatz zum Präsenzunterricht, wo man wenigstens noch etwas lernt, hocken wir jetzt nur noch vor unseren Bildschirmen. Aufgaben können nicht gestellt beziehungsweise geöffnet oder abgeschickt werden. Niemand kann IServ öffnen. Wir sitzen also vor unseren iPads und warten bis Stundenende, aus Angst etwas zu verpassen, falls die Aufgabenseite doch noch geladen werden sollte. Und das ist leider jeden Tag so, mindestens in einem Fach gibt es Komplikationen. Es macht einfach keinen Spaß. Es ist eine Frechheit, dass wir so lernen müssen. Oder besser gesagt: Wie sollen und können wir so lernen?! Dieses Problem ist seit Jahren bekannt – ohne das etwas unternommen wurde. Klar, man hat nicht mit einer Pandemie und deren Folgen gerechnet. Aber spätestens jetzt sind die Folgen der Nicht-Digitalisierung beziehungsweise das Aufschieben der Digitalisierung in vollem Ausmaß zu erkennen und trotzdem ist seit dem Auftreten der Probleme, was inzwischen fast ein Jahr her ist, nichts passiert. Oder doch? Vielleicht haben wir es einfach nur nicht mitbekommen? Aber selbst das würde nur zeigen, dass sich nicht ausreichend darum gekümmert wurde. Während des Unterrichts sind wir immer noch mehr mit der Technik und deren Problemen beschäftigt als mit dem Lehrstoff. Wer weiß, ob von der Regierung überhaupt noch was unternommen wird, schließlich hat es ja einigermaßen funktioniert. Leider auf unsere Kosten. Mal sehen, was das kommende Halbjahr bringt, ob es noch zu einer Verbesserung kommt. Würde es ein Zeugnis für das Onlinelernen und die Digitalisierung geben, dann stände unter vielen schlechten Noten wohl: „Versetzung gefährdet“.

Marika Münkel und Paula Holste

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