Reise in die Zukunft

– ein Interview von Ann-Cathrin Behrens und Elise Seiferth mit Carsten Borowy und Marco Berg

Was für viele ein Kindertraum ist, wird für manche möglich: ein Beruf in Verbindung mit der Raumfahrt. Im Zusammenhang mit dem Journalismus-WPK hatten wir die Möglichkeit, (ursprünglich für unseren Podcast zu Yuri Gagarin) am 26.03.2020 ein Interview mit Dr. Marco Berg und Carsten Borowy zu führen. Beide sind bei dem Raumfahrtunternehmen OHB in Bremen tätig, arbeiten jedoch in verschiedenen Bereichen. Dr. Marco Berg ist (Maschinenbau-)Ingenieur bei OHB und Leiter der Abteilung „Bemannte Raumfahrt“. Außerdem ist er verantwortlich für die Projekte der OHB, die in Verbindung mit der ISS stehen. Carsten Borowy ist Marketingleiter der Firmengruppe OHB.

Natürlich erfuhren wir nicht nur etwas über Yuri Gagarin, sondern durften auch viele Fragen zu aktuellen und kommenden Entwicklungen in der Raumfahrt stellen.

Um euch wenigstens einen kleinen Einblick in das sehr interessante ausführlich Interview geben zu können, folgt ein kurzer Interviewausschnitt, in dem ihr erfahren werdet, was in den kommenden Jahren die nächsten Schritte in der Raumfahrt sein werden und was sonst noch Interessantes in der Informationstechnologie auf uns zukommen kann.

F: Wo sehen Sie die Luft- und Raumfahrt und die Telekommunikation in 30 bis 50 Jahren?

Carsten Borowy: Das ist eine gute Frage. Wenn man die beantworten könnte, wäre man wahrscheinlich demnächst reich. Ich glaube, die Luft und Raumfahrt wird sich daran orientieren, wie sich unsere Gesellschaft auf dem gesamten Planeten weiterentwickelt. Und wenn man sich die Megatrends anguckt, wie sich unsere Gesellschaften weiterentwickelt, ist alles das, was die Luft und Raumfahrt tun muss, dazu zu dienen, dass wir diese weiterentwickeln.

Es geht nicht darum, Luft und Raumfahrt zu machen. Raumfahrt ist kein Selbstzweck, sondern wir müssen schauen, welche Trends wir in der Zukunft in der Gesellschaft bedienen können. Die Digitalisierung wird fortschreiten. Wir werden zunehmend, glaube ich, kleine Sensoren überall haben, die unsere Vitalfunktionen besser überwachen, so dass wir in der Zukunft noch gesünder sein werden: Alles ist mit jedem überall jederzeit vernetzt (ob man das mag oder nicht, sei mal dahingestellt). Raumfahrt wird immer leistungsfähiger werden, immer kostengünstiger werden, immer normaler werden.

In 30, 50 Jahren haben wir sicherlich Shuttle-Flüge zum Mars und zurück. Das kann man buchen, auch als Tourist, nicht nur als Wissenschaftler. Wenn man so ein bisschen Geld gespart hat, dann wird man entweder zum Mond oder zum Mars fliegen können. Davon gehe ich fest aus. Wir werden eine ganze Reihe von neuen Satelliten im All haben, die immer leistungsfähiger werden. Wir werden sehr, sehr große Startraketen haben. Wir werden sehr, sehr kleine Raketen haben für die ganz kleinen Satelliten.

Marco Berg: Ja, es ist natürlich immer schwierig, den gesellschaftlichen Durchbruch vorauszusagen. Wie vor mehr als zehn Jahren, dass so ein iPhone das mobile Internet hat. Und das wenn man sich das jetzt anguckt, hat sich unser Leben total verändert. Jeder hat ein Mobiltelefon und arbeitet damit. Bei der Raumfahrt gibt es allerdings eine Sache, die man immer wissen muss, dass der größte Teil der Kosten für den Transport draufgeht. Das heißt, die Rakete, der Start sind einfach unglaublich teuer und bedeuten oft 70 Prozent der Kosten. Der Start ist ja eigentlich nur Mittel zum Zweck. Man möchte diese 30 Prozent. In die möchte man das Geld investieren, um den Satelliten zu bauen und all diese Fähigkeiten zu nutzen. Wenn es da einen Durchbruch gäbe, beim Transport – so etwas wie mit dem Space-Elevator, so ein Weltraumfahrstuhl -, wenn man dabei die Kosten erheblich runterkriegen könnte, dann würde das zu einer Innovationsexplosion führen.

Und ja, es gibt immerhin schon elektrische Antriebe, dass man nicht nur chemische Antriebe hat, sondern dass man etwas verbrennt und damit diesen Impuls erzeugt. Aber der reicht noch nicht aus, um eine Rakete zu starten, sondern nur um dann, wenn die Rakete gestartet ist z. B. Vehikel zu lenken. Aber der Impuls ist noch nicht groß genug. […] Von daher ist es schwierig vorherzusagen, wann das sein wird.

Dann ist zu bemerken, dass man versucht, den nahen Erdorbit immer weiter zu kommerzialisieren. Die Agenturen [DLR, ESA, NASA] möchten da zurücktreten und hätten am liebsten so einen Markplatz, dass die Firmen den nahen Erdorbit kommerziell betreiben, dass da Hotels gebaut werden, dass es da Fertigung stattfindet: Manufacturing im Orbit. Es wird ganz intensiv daran gearbeitet, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und es wird interessant sein, wie sich das entwickelt. Aber solange die hauptsächlichen Kosten darin bestehen, Sachen ins All zu bringen oder zurückzubringen, ist es ein schwieriges Unterfangen.

Carsten Borowy: Das ist ein schöne Stichwort, Marco. Ich glaube nicht, dass wir alles auf die Mars-Station bringen werden, was wir dort brauchen, sondern dass wir da mit 3-D-Druck ganz viele Dinge tun werden. Wir werden dort Häuser drucken. Wir werden alle möglichen Materialien vor Ort drucken, sodass wir diese nicht hier anfertigen müssen und erst dahin bringen müssen. Alles, was es da vor Ort gibt, kann man auch nutzen. Man kann den Boden des Mars oder auch des Mondes nutzen, um daraus Gebäude zu bauen, wenn man ein bisschen Wasser hat (das gibt’s auf dem Mars, ohne ist es ein bisschen schwieriger, geht aber auch). 3D-Drucker – eine Geschichte, die vollkommen normal sein wird in 30, 50 Jahren im All.

In der Telekommunikation sehe ich unter anderem Quanten-Technologien als ganz wichtig. Das ist jetzt im Kommen. Die Sicherheit der Übertragung von Daten ohne dass jemand das mitlesen kann, was ich da übertrage, wird immer schwieriger. Hacker werden immer erfolgreicher. Aber wir haben jetzt Quanten-Technologien, die inzwischen anwendbar sind. Und die werden in den nächsten Jahren sicherlich operationalisiert werden, sodass wir davon ausgehen können, dass in 30 Jahren auf jeden Fall die Datenübertragung so sicher sein wird, dass sie niemals geknackt werden kann. Jedenfalls nicht so, dass man es nicht merkt. Das ist der heutige Stand der Technik. Wenn Sie mich in 30 Jahren fragen, würde ich wahrscheinlich sagen: Ja, wir haben das damals gedacht, dass das mit den Quanten absolut sicher ist. Wir müssen jetzt noch eine neue Technologie entwickeln. Aber aktuell gehen wir davon aus in der Physik, dass Quanten-Kommunikation die Übertragung von Quanten verschlüsseln wird, uns dabei helfen wird, die Daten sicher zu machen: Niemand kann sie abhören, auch nicht die Geheimdienste dieser Welt.

F: Da hätten wir noch eine Frage. Und zwar haben die USA der Sowjetunion mal Raumfahrt-Technologien geliehen oder gegeben, die diese benutzt haben und die dann nach einer bestimmten Zeit kaputt gegangen sind, weil die USA nicht wollten, dass die Sowjetunion sich weiterentwickelt und die USA überholen. Glauben Sie, dass es jemals so weit sein wird, dass so etwas nicht geknackt wird? Also auch nicht, dass selbst große Raumfahrtnationen wie die USA nicht die Möglichkeit haben werden, durch Satelliten oder Telekommunikation irgendwelche Länder zu beeinflussen?

Carsten Borowy: Um mal bei dem Thema der Quanten zu bleiben: Das würden die größten Nationen der Welt nicht schaffen, weil das einfach Physik ist. Da geht es um verschränkte Quanten und wenn man das eine Quantum anfasst, dann merkt man das auf der anderen Seite sofort. Einstein hat das diese „spukhafte Fernwirkung“ genannt, und das ist Physik. Da wird man mit aller Macht nichts daran machen können. Heute sagt man einfach: Ich baue immer leistungsfähigere Computer. Und wenn jemand seine Daten verschlüsselt, dann setze ich den leistungsfähigsten Computer der Welt darauf an, und der würde die Daten knacken können. Vielleicht dauert es einen Augenblick, aber der würde das schon knacken können. Das ist einfach brutale Rechenleistung. Das hat nichts mit Physik zu tun. Bei den Quanten ist es so: Das ist Physik. Daran kann man nicht vorbei. Das wird auch in 30, 50 und in 30 000 Jahren so bleiben.

Datenübertragung kann heute von vielen Organisationen abgehört werden, um sich mit Informationen zu versorgen und Vorteile zu verschaffen. Die große Länder haben natürlich bessere Möglichkeiten als die kleine. Da es bekannt ist, dass Kommunikation jederzeit abgehört werden kann, auch die von Satelliten, werden Maßnahmen entwickelt um dies zu verhindern oder zu erschweren. Wenn einmal diese Technologie kommt, dann kann man den Satelliten gerne abhören. Man würde es nicht verstehen, was da übertragen wird.

Wir arbeiten auch an Signalen, die so schwach sind, dass man sie eigentlich gar nicht mehr entziffern kann. Und wenn man nicht ganz genau weiß, was man mit dem Signal gemacht hat, bevor man es abwendet, wird man es nicht entdecken können. Es gibt die ganze Zeit, wenn man das elektromagnetische Spektrum aufnimmt, ein Rauschen. Das Universum rauscht, die Sonne erzeugt jede Menge elektromagnetischer Strahlung. Alles Mögliche auf der Erde erzeugt elektromagnetische Strahlung. Deswegen gibt es überall ein Grundrauschen auf einem ganz kleinen Niveau. Wenn man ein Signal übertragen möchte, muss es lauter, muss es stärker sein als dieses Grundrauschen. Nur dann kann man es hören. Wir können aber heute die Signale so beeinflussen, dass wir sie so schwach machen, dass sie quasi in diesem Rauschen verschwinden. Und wenn ich nicht ganz genau weiß, was ich gemacht habe vorher, dann finde ich dieses Signal nie. Wenn ich aber weiß, was ich gemacht habe, dann kann ich im Rauschen dieses Signal wiederfinden. Auch das ist eine Möglichkeit, zusätzliche Sicherheit in der Datenübertragung zu erzeugen. Das ist aber sehr, sehr spezifisch nur auf einige Bereiche anwendbar. Da ist viel Intelligenz immer wieder dabei. Die Leute denken sich dann doch immer wieder etwas Neues aus, um Informationen sicherer zu machen.

Das Interview führten Ann-Cathrin Behrens und Elise Seiferth

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