Heute vor 59 Jahren stieg der strahlende Stern der Sowjetunion, Yuri Gagarin, in den Kosmos auf. Er durchbrach als erster Mensch mit dem Raumschiff „Wostok 1“ die Atmosphäre, woraufhin er als Star national wie auch international gefeiert wurde. Der 12. April wird seitdem zum Gedenken Yuri Gagarins als „Tag der Kosmonauten“ gefeiert.
Der Bauernjunge aus Kluschino, Oblast Smolensk, leitete in 108 Minuten das Zeitalter der bemannten Raumfahrt ein. Doch sein Schicksal sollte nicht immer das eines Helden sein.
Yuri Alexejewitsch Gagarin wurde am 9. März 1934 als drittes Kind einer Bauernfamilie geboren. Seine Schullaufbahn wurde durch den Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1943 bis zu der Befreiung durch die Rote Armee unterbrochen. Zur gleichen Zeit erlebte Gagarin ein prägendes Ereignis, welches nicht zuletzt seine Leidenschaft und Bewunderung für das Fliegen entfachte. Er sah einen sowjetischen Jagdflieger in seiner Nähe notlanden. Kurze Zeit später landete ein zweiter Flieger, um seine Kameraden vor deutscher Kriegsgefangenschaft zu retten. Nach der Schule begann Yuri Gagarin 1951 eine Ausbildung zum Gießer mit darauf folgendem Studium. Nichts, was nur annähernd etwas mit der Raumfahrt zu tun hatte. Während des Studiums trat er jedoch dem Aeroklub bei. Dies war sein erster Schritt in Richtung Raumfahrt. Es folgte der Beitritt zur Luftstreitkraft. 1957 wurde er zum Leutnant ernannt und heiratete im gleichen Jahr die Ärztin Walentina Iwanowa Gorjatschowa. Gemeinsam haben sie zwei Kinder. Gagarin stellte sich für den Krieg zur Verfügung und diente drei Jahre im Fliegerregiment der Nordflotte. Im Jahre 1960 wurde Gagarin als potenzieller Kosmonaut ausgewählt und bekam die entsprechende Ausbildung. Seine Charaktereigenschaften öffneten ihm die Türen für die wohl größte Chance seines Lebens. Auch sein Lebenslauf half ihm beim Auswahlverfahren gewaltig. Der Kandidat wurde mit Bedacht auf die Aufgaben nach der Mission ausgewählt: Der Bauernjunge wird zum Nationalhelden. Er besaß die perfekte Biografie, um die damaligen sowjetischen Bürger durch Propaganda zu erreichen.
Als Yuri Gagarin als möglicher Kandidat ausgewählt worden war, wusste er selbst noch nicht, für welche Mission das sein würde. Erst 14 Tage vor dem Startermin stand genau fest, wer diese Mission fliegen durfte und somit der erste Mensch im Weltall werden sollte. Niemand durfte vorher von der Mission wissen, nicht einmal seine Frau. Er schrieb einen Abschiedsbrief für den Fall, dass die Mission scheitern sollte. Generell war Gagarin jedoch sehr optimistisch eingestellt. Nur die Fachleute wussten, wie riskant diese Mission wirklich war. Die berechnete Überlebenswahrscheinlichkeit lag bei nur 47 Prozent. Es war wie ein Münzwurf: Leben oder Tod.
Der nur 1,57 große Gagarin war 48 Stunden vor dem legendären Flug noch völlig unbekannt, doch schlagartig wurde er wohl zum wichtigsten und bekanntesten Mann des Staatenbundes.
Die Nachricht des ersten Weltraumfluges ging wie ein Lauffeuer durch die Radiosender der Welt. Ein neuer Heldentypus war geboren: Der Kosmonaut. Die Meldung erfolgte zum ersten Mal noch vor dem erfolgreichen Abschluss einer Mission, obwohl es bei dem fast vollautomatischen Flug zu Komplikationen kam. Die Nachricht der Landung sendete man über Radio. „Hier ist Moskau. Hier ist Moskau, senden alle Rundfunkstationen der Sowjetunion. Moskauer Zeit 10:02 Uhr. Wir senden die Tass-Meldung über den ersten Flug der Welt eines Menschen in den kosmischen Raum.“ (Zitat aus „Die Gagarin Story“ Teil 2 https://YouTube.be/VIY14dCQwmY Minute 0:18, eingesehen am 07.04.2020 um 15:21 Uhr) Auch die Funkfrequenz, über die Gagarin kommunizierte, wurde bekanntgegeben. Der Westen sollte keinen Zweifel haben können, dass tatsächlich ein Sowjetbürger im Kosmos kreiste.
Von diesem Helden sollte auch die Sowjetunion profitieren. Yuri Gagarin wurde vom Staat stark inszeniert. Die Sowjetunion hatte eine neue Lichtgestalt, die sie national wie auch international vorzeigen konnte. Durch das gewonnene Wettrennen ins All hatte der Kommunismus den Kapitalismus „besiegt“. Der Propagandaplan der Sowjetunion ging auf. Gagarin war nun ein Botschafter in Uniform und kein Flieger mehr. Er trat viele Auslandsreisen an und egal, wo Gagarin erschien, die ideologischen Differenzen waren in diesem Moment vergessen. Er war ein Mann, der den eisernen Vorhang zwischen Ost und West durchbrach. Seine Besuche im Ausland waren zur Zeit des Kalten Krieges etwas sehr Besonderes.
Nicht zuletzt aus diesem Grund stieg der Lebenswert Gagarins im Sinne des Staates. Der Kolumbus des 20 Jahrhunderts avancierte zu der erfolgreichsten Propaganda-Kampagne der Sowjetunion. Deshalb hatte die Regierung Angst, den Kosmonauten Nummer Eins durch einen Unfall zu verlieren und verbot ihm deshalb das weitere Fliegen. Durch diese Entscheidung verlor der Stern der Sowjetunion seine Strahlkraft und setzte sich mit allen Mitteln dafür ein, wieder im Cockpit sitzen zu dürfen. Nachdem er alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, bekam er die Erlaubnis, in Begleitung eines Ausbilders zu fliegen. Doch die Erfüllung seines Traums kostete ihn bald darauf sein Leben.
Am 27. März 1968 erlosch der strahlende Stern der Sowjetunion auf mysteriöse Weise bei dem Testflug eines Kampfjets. Der damals für die Propaganda und den Wettlauf in der Raumfahrt bedeutendste Mensch der Sowjetunion war tot. Warum das Flugzeug Ende März 1968 abstürzte, ist bis heute unbekannt. Der tragische Unfall wurde von der Sowjetunion als Verkettung von verhängnisvollen Umständen betitelt. Es gab und gibt Spekulationen und Verschwörungstheorien zum Absturz. Doch die genauen Umstände sind unbekannt und die Akte „Yuri Gagarin“ ist bis heute ein Staatsgeheimnis. Auch wenn der Staat gewusst hätte, wer für den tragischen Tod Gagarins verantwortlich gewesen war, hätte sie niemandem die Schuld geben können, ohne Gagarin, dieser wichtigen Person, den Ruf zu nehmen oder den Ruhm ihres erloschenen Sterns zu schmälern.
Global war der erste Mensch im All Yuri Gagarin nie so berühmt wie zum Beispiel der erste Mensch auf dem Mond, der Amerikaner Neil Armstrong. Dies hat auch damit zu tun, dass Gagarin kein US-Amerikaner, sondern Sowjetbürger war. Grund für die mangelnde Bekanntheit Gagarins gegenüber den westlichen Astronauten ist vermutlich auch, dass in der Sowjetunion der Einzelne nie eine so herausragende Starrolle spielen durfte. Jeder war vor allem immer ein Teil des Systems, Teil des Teams; und nur als Teil des „Teams Sowjetunion“ war Gagarin damals eben eines: führend.
Und heute? – In unserer Generation oder unserem Jahrgang kennen nur eingefleischte Raumfahrtfans den Namen und die Bedeutung Gagarins. In der Raumfahrtbranche selbst ist dies allerdings anders. Bei einem Interview am 26. März mit dem Maschinenbau-Ingenieur Marco Berg, der die Abteilung der bemannten Raumfahrt bei dem Bremer Unternehmen OHB leitet, und dessen Kollegen, Carsten Borowy, der für das Marketing bei OHB verantwortlich ist, bestätigten beide, dass Gagarin für die Branche selber durchaus als Pionier wertgeschätzt wird.
Yuri Gagarin sei ein Pionier und mutiger Held, weil das Überleben Gagarins und somit der Erfolg der Mission nicht sicher gewesen seien, so Marco Berg. Carsten Borowy ergänzte, dass Gagarin durch seine Pioniertat auch einen Beitrag zur Friedenssicherung geleistet habe, weil dadurch ein Gleichgewicht der Großmächte im Kalten Krieg hergestellt worden sei. Gagarins Bereitschaft, bei der Mission möglicherweise umzukommen, habe letztlich dazu beigetragen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg keine weiteren Atombomben eingesetzt worden seien.
Auch der sogar von einem US-Amerikaner 2001 ins Leben gerufene jährliche Aktionstag „Yuri’s Night“ ist heute einerseits Erinnerung an Gagarin, andererseits ein Tag, der das Interesse an aktueller Weltraumforschung fördern soll.
Wenn wir also am Abend des Ostersonntags noch auf der Terrasse sitzen und die Sterne betrachten, ist eine Sache noch genauso wie zur Zeit Yuri Gagarins, die uns gleichzeitig mit ihm verbindet: Die Faszination der Menschen für das für uns fast unerreichbare Weltall. Doch heute vor 59 Jahren hat Yuri Gagarin uns den Weltraum einen Schritt näher gebracht.
von Ann-Cathrin Behrens und Elise Seiferth
Danke! Und siehe auch: https://sascha313.wordpress.com/2015/12/13/juri-gagarin-war-kommunist/
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Wow, cooler Beitrag!
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Dankeschön 🙂
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