Die Landwirtschaft ist ein großer Markt in Deutschland und auch auf der ganzen Welt. Annähernd jeder Mensch hat etwas mit der Landwirtschaft zu tun. Während einige in der Branche selbst arbeiten, verzehren andere die hergestellten Produkte. Aber wissen die Verbraucher noch, wo die Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden?
Wem sind die grünen Kreuze auf den Feldern aufgefallen? Wurde der stille Protest der Landwirte wahrgenommen? Wurde das Mahnmal verstanden?
Die Landwirtschaft möchte auf ihre Not aufmerksam machen und mit ihren grünen Kreuzen gegen das Agrarpaket von Svenja Schulze (SPD) und Julia Klöckner (CDU) protestieren. Das heißt aber nicht, dass die Landwirte gegen Umweltschutz und Tierwohl sind. Ganz im Gegenteil!
Genau wie jede andere Branche verändert sich die Landwirtschaft, sie entwickelt sich weiter. Ein Familienbetrieb hatte früher 30 Kühe, 20 Schweine und 10 Hühner und war damit ein großer Hof. Heutzutage wäre dies nicht mehr als ein Hobbybetrieb oder ein Nebenerwerb.
Die meisten Betriebe haben sich im Laufe der Zeit auf einen Betriebszweig spezialisiert. Familienbetriebe im Bereich der Milchviehhaltung bewirtschaften etwa 100 Hektar und halten 120 Kühe. Schweinebetriebe haben laut Aussage der Landberatung Rotenburg im Durchschnitt 2.000 Schweine. Die Dimension der Landwirtschaft wächst und die Betriebe werden immer größer. Diese andauernde Vergrößerung führt auch dazu, dass kleinere Familienbetriebe unter Umständen aufhören müssen, weil sie den Entwicklungen nicht standhalten bzw. folgen können. Große Betriebe werden im Gegenzug immer größer. Daraus entsteht eine Art Wechselwirkung. Die kleineren Betriebe müssen aufgeben, weil sie nicht mehr mithalten können. Die großen Betriebe können sich dadurch weiter vergrößern, weil sie zum einen die wirtschaftlichen Flächen übernehmen können. Zum anderen können sie auch die Produktionsmenge hochschrauben und die Produktionsmengen übernehmen. Im Prinzip müssen sie dies, um den Markt weiter ausreichend mit Produkten beliefern zu können. Die Nachfrage nach den Lebensmitteln ist immer da und kann auch durch den Export in andere Länder steigen. Wenn viel von einem Produkt auf dem Markt ist, kostet es weniger. Die Einnahmen sinken, die Ausgaben bleiben allerdings gleich. Der Gewinn sinkt entsprechend. Durch diese wirtschaftlich schwere Zeit, die manchmal über Jahre andauern kann, werden manche Betriebe dazu gezwungenen, aufzugeben.
Aber nicht nur die Entwicklung der einzelnen Betriebe, sondern auch die Landwirtschaft selbst und die Produktion der Lebensmittel haben sich verändert. Die Arbeitsschritte werden immer mehr von Maschinen übernommen und es gibt immer mehr Möglichkeiten, den Tieren und der Umwelt die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Anstatt mit Hand wird heutzutage durch Roboter gemolken, Äcker werden nicht mehr mit Pferden bestellt, sondern mit großen GPS gesteuerten Treckern und Maschinen und Ställe bieten mehr Komfort für die Tiere.
Die Landwirtschaft wurde technisiert, sodass der Alltag wenig mit der früheren Arbeitsweise zu tun hat. Viele Menschen haben jedoch das alte Bild der Landwirte vor Augen, das nicht mehr der Realität entspricht. Früher waren viele Menschen gerade in ländlichen Bereichen Selbstversorger und hatten so einen ganz persönlichen Bezug zur Landwirtschaft und ihren Lebensmitteln. Solch kleine Einheiten gibt es heute gar nicht mehr. Viele Menschen haben den Bezug zur Landwirtschaft verloren. Die Arbeit, die dahinter steckt, um die Lebensmittel herzustellen, wird oftmals nicht hinterfragt oder wertgeschätzt. Die Lebensmittel haben im Generellen in Deutschland nicht so großen Wert, wie in anderen europäischen Ländern. Lebensmittel in Italien oder Frankreich sind viel teurer als in unserem Land und die Menschen sind tendenziell eher bereit, mehr Geld für Nahrungsmittel auszugeben. In Deutschland ist es sehr schwer Kunden zu finden, die 30 Prozent mehr Geld ausgeben für Fleisch von Tieren, die in einem Stall leben, der mehr Platz als vorgeschrieben bietet. Die Leute sagten zwar, sie wollten Tierwohl, aber das teurere Fleisch kauft kaum jemand.
Die deutsche und europäische Politik macht zudem die Arbeit der Landwirte nicht immer einfacher. Es werden immer wieder neue Auflagen und Verordnungen erlassen, die die Landwirtschaft schwieriger machen. Bevor eine neue Auflage richtig ausgeführt wurde, kommt schon die nächste Auflage dazu. Daraus folgt, dass nicht nur die Arbeit draußen, sondern auch die Arbeiten im Büro immer zeitintensiver werden. Oftmals haben die Politiker keinen wirklichen Bezug zu den Möglichkeiten, die Auflagen praktisch umzusetzen. Deshalb fordern die Landwirte immer häufiger mehr Mitspracherecht in der heutigen Agrar-Politik. Diese Forderung möchten die Landwirte in friedlichen Demonstrationen sichtbar machen. Auch die deutschen Bürger sollen darauf aufmerksam werden. Für viele sind die Landwirte der Buhmann der Nation geworden: Für den Klimawandel oder die erhöhten Nitratwerte im Grundwasser seien die Landwirte verantwortlich. Aber das stimmt so undifferenziert nicht. Natürlich haben sie ihren Anteil dazu beigetragen, aber jeder, wirklich jeder, trägt zu den beiden Problemen bei.
Von der Landwirtschaft wird jedoch gefordert, dass sie sich zurückbildet, also eher zwei Schritte zurückgeht, als einen nach vorne. Dabei sind alle weiterhin auf die Branche angewiesen. Zudem ist die Landwirtschaft der einzige Berufszweig, der Sauerstoff durch den Pflanzenanbau produziert.
Haben die Verbraucher oder die Politiker Angst vor der großen Dimension, die die Landwirtschaft angenommen hat oder haben sie einfach den Bezug verloren? Was auch immer der Grund ist, es wäre wünschenswert, wenn sich die Landwirte und die Politik einigen und annähern und die Zukunft der Landwirte gesichert wird. Denn die Politik entscheidet über die Zukunft und wie sich die Landwirtschaft entwickelt und entwickeln darf. Aber auch die Medien sind in einer wichtigen Schlüsselposition. Durch den Tenor, den viele Medien durch ihre Nachrichten und Filme verbreiten, werden die Landwirte auch von der breiten Bevölkerung wahrgenommen, da sie als primäre Informationsquelle dienen. Meistens vermittelt das Gezeigte jedoch ein schlechtes oder veraltetes Bild der Landwirtschaft. Aber auch die Landwirte müssen an einem besseren Image arbeiten, durch Öffentlichkeitsarbeit etwa oder auch durch Aufklärung der Verbraucher darüber, wie die Landwirtschaft heutzutage funktioniert.
Wenn die Politik die wichtigen Probleme löst oder sich zumindest mehr mit der Landwirtschaft auseinandersetzt, beide Seiten nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten, kann das Landwirtschaftssterben abgewendet und die Zukunft der Landwirtschaft gesichert werden.
Die Qualitätsstandards der deutschen Produkte sind im Vergleich zu anderen Ländern unter Umständen deutlich höher und damit den Preis und ihre Wertschätzung, auch für die Arbeit dahinter, wert. Da ist es verständlich, dass die deutschen Landwirte verärgert sind, wenn sie ihre unter hohen Standards produzierte Ware neben ausländischer Ware für einen geringeren oder den gleichen Preis finden. Oder etwa nicht?
Von Ann-Cathrin Behrens