Alles erwägt den Anschein, dass diese Saison erfolgreich wird. Großer Kader mit vielen starken Spielern, junger und ambitionierter Trainer, hohe Motivation. Doch dann gerät Werder in eine Abwärtsspirale. Verletzungspech, mangelnde Chancenverwertung, merkwürdige Torwartfehler. Der Abstiegskampf wird abgestritten, eine Woche später dann doch ausgerufen. Eine Saison, die mit dem Einzug in die Europa-League enden sollte. Nun ist sie schon zufriedenstellend, wenn sie mit einem Mittelfeldplatz endet.
10.08.19, erstes Saisonspiel, 6:1 Pokalsieg gegen Atlas Delmenhorst, ein Auswärtsspiel im eigenen Stadion, ein nie gefährdeter Sieg, die zweite Pokalrunde ist sicher. Aufbruchstimmung, die Hoffnung auf Europa lebt. Danach folgt die Ernüchterung. 1:3 Heimniederlage gegen Düsseldorf im eigenen Stadion, die ersten Spieler wie Top-Neuzugang Füllkrug verletzt, auf dem das werderanische Ballbesitzspiel von Trainer Kohfeldt basiert. Im Vergleich zu anderen Mittelklasseteams der Bundesliga setzt Trainer Kohfeldt auf Ballbesitzfußball statt Gegenpressing. Werder versucht, das Spiel gezielt aufzubauen, in der gegnerischen Hälfte eine Überzahl zu schaffen, damit den Fans begeisternder Offensivfußball geboten wird. Besonders soll der Fokus dieses Jahr auf besseren Flanken und Standards liegen, weil das im Vorjahr mehr oder weniger scheiterte. Nach einigen Spielen stellt sich aber heraus, dass Bremen an diesen Vorsätzen verzweifelt. Kein kopfballstarker Angreifer, Sargent ist noch nicht gut genug entwickelt und die Stadards werden kläglich verschossen. Nach einigen Spielen und vielen Gegentoren nach Standards fragt sich ein jeder Fan, wie Co-Trainer Ilia Gruev noch im Amt sein kann, denn er ist als Experte für bessere Standards verpflichtet worden. Während die Verletztenliste länger wird, verliert Bremen knapp gegen Hoffenheim. Daurauf folgen zwei Pflichtsiege gegen Augsburg und Union Berlin. Zwar ist man erleichtert, aber immer kassierte man mindestens ein Gegentor. Diese Serie sollte sich bis Hinrundenende vorsetzen. Durch das Verletzungspech musste Trainer Kohfeldt immer wieder rotieren, besonders die Innenverteidung wirkte wacklig und uneinsgespielt. Die Folge: Eine Niederlage und vier Undentschieden in der Bundesliga. Ohne Weiße Weste. Selbst im Pokal gegen den zweitklassiegen FC Heidenheim kassierte man bei vier selber geschossenen Toren eins. Der Frust wuchs, die Sehnsucht nach Siegen auch. Die Abstiegsplätze rückten näher, aber angebliche Leistungsträger wie Davy Klaassen stritten ab, im Abstiegskampf zu stecken. Eine Woche nach dem 1:3 gegen Gladbach verlor die demotivierte und lustlose Bremer Mannschaft gegen Schalke 04. Sinnbildlich für die Ergebnisse: Sahins Verhalten auf dem Platz. Unfaire bzw. unsportliche Zweikampfführung (wobei er für seine Aktivitäten außerhalb des Rasens neulich einen Fairplay-Preis gewann), Fehlpässe am laufenden Fließband (wenn nicht Sicherheitspässe gespielt worden) und die fehlende Laufbereitschaft, das eigene Tor mit dem Leben zu verteidigen, was Trainer Kohfeldt später sogar forderte. Gegen Wolfsburg sollte Werder zu seinem alten Kämpfer-Image wiederfinden. Tatsächlich gewannen sie nicht unverdient mit 3:2. Aber immer drei Tore zu schießen, wenn man zwei kassierte, war nicht möglich. Für die alte Spielweise eines gewissen Thomas Schaaf mangelte es Führungsspielern in der Offensive. Osako, Rashica, Jojo Eggestein, alles klasse Spieler, aber keine Leader wie ein Max Kruse. Der wird zwar vermisst, man hat mit Osako von den spielrischen Qualitäten aber einen ebenbürtigen Spieler im Kader. Leider neigte dieser ab und an dazu, protestierend auf dem Boden zu liegen und damit den Fokus auf sein Spiel zu ruinieren.
Der komplette Tiefpunkt wurde erreicht, als Werder im eigenen Stadion gegen Paderborn mit 1:0 verloren. Traurig, wie wenig Werder nach vorne brachte und schludrig hinten verteidigte. Viele Fans, auch einige Ultras waren stinksauer und verzweifelt. Doch bevor Licht am Ende des Tunnels wartete, zum Glück, musste Werder noch einmal baden gehen: 6:1 in München nach 1:0 Führung und 0:5 gegen Mainz 05 daheim. Die Lust auf Verteidigen war nicht vorhanden, Mainz bedankte sich und schenkte ihnen fünf simpel herausgespielte Tore ein. Gegen Köln wurde gebetet, dass sie eine erneute Klatsche vermeiden würden. So begann der Licht am Ende des Tunnels, ,,nur“ 0:1 gegen Köln, die nicht den besten Schuh spielten. Winterpause. Eine Hinrunde zum Vergessen, Platz 17, nur schlechter als Paderborn. 41 Gegentore, Torwart Pavlenka meint, dass er noch nie etwas derartig schlechtes erlebt hat. Manager Frank Baumann gibt Fehler in der Kaderplanung zu, aber will am Trainer festhalten, weil es zum Bremer Image gehört, nicht wie ein gewisser VfB Stuttgart oder HSV diverse Trainer im Jahr zu verschleißen. Das Ziel Europa-League über die Liga wurde verpasst. Um positive Aspekte zu finden, muss man aber auch nicht lange suchen. Die meisten Verletzen regenerieren in der Winterpause, Innenverteidiger Vogt wird als Leader verplichtet (auf Leihbasis), die Spielweise wird in Ruhe einstudiert, der Trainer nicht infrage gestellt. Tatsächlich existiert Vorfreude in Bremen auf die Rückrunde. Alles besser zu machen und vielleicht über den Pokalsieg in die Euro-League einzuziehen. Natürlich nur ein Traum, da der Viertelfinalgegner Dortmund heißt, die Starstürmer und Toptslent Haaland im Winter verpflichteten, aber die Hoffnung stirbt nunmal zuletzt.
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Das erste Rückrundenspiel wird gegen Düsseldorf gewonnen, nur noch Platz 16 und das erste Mal ohne Gegentor, Moisander durch Gelb-Rot gesperrt und Vogt durch Gehirnerschütterung verletzt. Nach dem Spiel wird außerdem bekanntgegeben, dass Linksverteidiger Augustinsson länger ausfällt. In Bremen geht es aktuell drunter und drüber. Mal schauen, was die Rückrunde bringt…
nächste Woche berichtet Jule von der Hinrunde des HSV
von Mathis Henke