Adventskalender Türchen 23

Auch ein Steven, aber nicht der King; Adventskalender-Finale Teil 3/4

Er war der Schnellste in seinem Jahrgang und demnach auch in gewisser Weise optimistisch gestellt gegenüber dem Etwas. Doch dieser Optimismus kam nicht durch, weil Angst, Vorsicht und nochmal Angst überlagerten. Im Nachhinein konnte er nicht sagen, wie er es geschafft hatte, sich zu überwinden noch weiterzugehen. Nach der ersten Stufe konnte er die gebrochen, abstehenden Beine und die uringetränkte Hose sehen. Er erstarrte, fragte sich wiederholt, ob das hier clever ist. Tiefer gehen war keine Option für ihn. Seine Beine verweigerten den Dienst, also entschied er, sich hinzuknien, um einen kurzen Blick zu erhaschen. Lange konnte er es nicht mehr aushalten, da es stank. ,,Kloake, Blut und modrig“, dachte er, ,,nicht gut“. Er sah Roberts Gesicht nicht. Er hätte können, aber auf seinem Gesicht und Hals hockte ein Etwas, mit krummem Rücken, bestimmt zwei Meter groß und muskulös, ledriger Haut, scharfen Zähnen, das sich langsam in den Hals von Robert reinbohrte und genüsslich sein Blut schlürfte. Es dreht es sich um.

Fast zehn Sekunden hielten die beiden Blickkontakt, bis etwas passierte. Es war schlimm. Sebastian erkannte Merkmale von Frau Meyer und dem Streber im Gesicht des Etwas. Er bekam panische Angst und hörte nichtmal das erstickte, gurgelnde „Basti“, was die letzten Worte von Robert waren. Er schrie so laut und schrill, wie nie zuvor und sprintete zum Ausgang. Er hörte weiterhin das Schmatzen der Kreatur und spornte seinen Körper an, noch schneller aus diesem Raum rauszukommen. Die Bücherei flog an ihm vorbei, den Computerraum ließ er links liegen,und die Tür, die raus aus dem Arbeitsraum führte, trat er aus den Angeln. Immer noch rennend verließ er das Schulgelände. Erst am Fahrradständer traute er sich durchzuatmen.

Seine Freunde kamen ihm gerade mit den Fahrrädern entgegen. Sie sagten, dass es schon Nachmittags ist und sie die Schule vor vier Stunden verlassen haben. Sie hätten sich Sorgen gemacht, weil weder er noch Robert wieder rauskamen. ,,Robert wird nicht mehr rauskommen“, waren die vorerst letzten Worte Sebastians, der genau wie sein jetziger Sohn Max ganz lange nicht reden konnte, weil die Angst nicht überwindbar war. Und jede Nacht, im Schlaf, kamen die Erinnerungen hoch, schlimmer und beängstigender als zuvor.

Der Weg zur Schule war für Max sehr kurz. Jonas holte ihn immer pünktlich um sieben Uhr fünfzehn ab und gemeinsam fuhren sie die anderthalb Kilometer zur Schule. ,,Langsam wird es kalt“, dachte Jonas. Lange würde seine Mutter ihn nicht mehr kurze Hose tragen lassen. Seine Mutter, eine leicht untersetzte, fröhliche, aber doch strikte Person, neigte dazu, ihrem Sohn einen Willen aufzudrücken, da sie ja deutlich Lebenserfahrener sei. Dieser Gedanke jagte immer wieder durch seinen Kopf. Er war zu hundert Prozent sicher, dass seine Mutter ihm wieder eine so geschmacklose Hose kaufen würde, dass es ein leichtes wäre, sich vor den Kumpels zu blamieren. Es war sieben Uhr zehn und Jonas konnte das Haus von Max schon sehen. Vor Vorfreude trat er noch stärker in die Pedale. Das war aber nicht der einzige Grund, denn dazu kam noch heftiger Regen, der in Kürze in ein Gewitter ausarten würde. Sie wohnten etwa fünfhundert Meter auseinander, auf dem flachen Land, und trafen sich in ihrer Freizeit oft, um auf Heuballen rumzuspringen, Aktiv zu sein und einfach Spaß zu haben. Wenn Max auf das Dach ihres Anwesens kletterte, konnte Jonas seine Silhouette sehen.

Das große Finale des Adventskalenders, die Fortsetzung dieser Geschichte, folgt morgen an Heiligabend.

von Steven Krause

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